Explikat 

Definieren lässt sich die Tragödie nach Aristoteles als

Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, wobei diese formenden Mittel in den einzelnen Abschnitten je verschieden angewandt werden – Nachahmung von Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammer und Schaudern hervorruft und hierdurch eine Reinigung von derartigen Erregungszuständen bewirkt. (Aristoteles 2014, S. 19).

Übersetzt bzw. in einzelne definitorische Elemente zerlegt, verweist die zitierte Beschreibung zum einen auf das Personal der Tragödie, welches sich aus "guten" Menschen zusammensetzt und damit höherständige Figuren umfasst (vgl. ebd.). Zum anderen benennt Aristoteles ein der Tragödie eigenes höheres bzw. erhabenes Sprachniveau (vgl. ebd.). Mit dem Vermerk auf die Geschlossenheit der Handlung wird zudem bereits ein struktureller Aspekt angesprochen, der auf das geschlossene Drama und die Einheit der Handlung verweist (vgl. ebd.). 

Darüber hinaus wird in der Definition auch auf die kathartische – reinigende – Wirkung der Tragödie verwiesen, welche die Zuschauenden über Mitgefühl am Geschehen beteiligt und darüber der Affektbereinigung dient (vgl. ebd.). Insbesondere aufgrund dieser Funktion wird im Rahmen der Tragödie der dramatische Untergang des (fehlbaren) Helden vorgeführt. Deswegen ist auch in Josee Hussaarts' Adaption des Ikarus-Mythos Ikarus zum Fall und (wortwörtlichen) Untergang verurteilt: 

IKARUS Und noch ein Stückchen höher!
DÄDALUS Ikarus!
IKARUS Und noch höher!!
DÄDALUS Ikarus!!
IKARUS Und noch höher!!!
DÄDALUS Ikarus!!!
IKARUS Und höher!!
DÄDALUS Ikarus!!!
IKARUS Und höher!!
DÄDALUS Ikarus!!!
IKARUS Höher…
DÄDALUS Ikarus!!! Ikarus!!!

Die Musik stoppt, Ikarus dreht sich in die Luft zu seinem Vater um. 

IKARUS Vati … ich falle.

Der Wind legt sich. Ikarus fällt und verschwindet unter dem blauen Stoff ins Meer. 

[…]

MANN Da fällt Ikarus
aus der Luft
nach unten.
Tot.
Geht unter
im Wasser des Meeres. 

(Hussaarts 2009, S. 82-83)

David E. Rivas hebt in seiner Erläuterung der Tragödie nicht nur die einzelnen hier genannten Elemente der Tragödie hervor, sondern unterstreicht darüber hinaus ihre immerwährende Bedeutung, die sich zudem auch popkulturell übersetzen lasse: 

Quelle: Rivas, David E.: Why tragedies are alluring, 2015.

 


Bibliographie 

Primärliteratur  

  • Aristoteles: Die Poetik. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, 2014.
  • Hussaarts, Josee: Ikarus! oder Der Himmel ist blau und auch das Meer. In: Maagh, Thomas (Hrsg.): Spielplatz 22. Fünf Theaterstücke über Väter und Söhne. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 2009. S. 57-84. 

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