Explikat 

Im Gegensatz zur Tragödie wird die Komödie in Aristoteles' Poetik nur kurz behandelt und bezeichnet als die

Nachahmung von schlechteren Menschen, aber nicht im Hinblick auf jede Art von Schlechtigkeit, sondern nur insoweit, als das Lächerliche am Häßlichen [sic] teilhat. Das Lächerliche ist nämlich ein mit Häßlichkeit [sic] verbundener Fehler, der indes keinen Schmerz und kein Verderben verursacht, wie ja auch die lächerliche Maske häßlich [sic] und verzerrt ist, jedoch ohne den Ausdruck von Schmerz. (Aristoteles 2004, S. 17) 

Die Poetik ist uns nur fragmentarisch überliefert; es fehlt das zweite Buch, das sich mit der Komödie beschäftigen soll. Die nur kurze Behandlung der Komödie in dem uns überlieferten Textteil thematisiert auch Umberto Eco in Der Name der Rose: So stellt das 'fehlende' zweite Buch von Aristoteles' Poetik und die Suche nach diesem nicht nur ein zentrales Motiv der Handlung dar, sondern das Buch selbst bestimmt zudem die zentralen Entwicklungen des Romans: 

Ich will das Buch sehen, das du hier verwahrst, seit du es gelesen hast, weil du nicht willst, daß [sic] andere es lesen, das Buch, das du hier mit Hilfe allerlei raffinierter Machenschaften versteckt hältst und nicht zerstört hast, weil einer wie du keine Bücher zerstört, sondern hütet und vor fremden Blicken bewahrt. Ich will das zweite Buch der Poetik des Aristoteles sehen, das für alle Welt als verschollen oder niemals geschrieben gilt und dessen womöglich letzte Abschrift du hütest. (Eco 1980, S. 591) 

Die Informationen, die der Protagonist Wilhelm von Baskerville schließlich aus dieser letzten und schlussendlich für immer zerstörten Abschrift erhält, sind zum einen analog zu der von Aristoteles benannten Funktion der Tragödie:

Im ersten Buch haben wir die Tragödie behandelt und dargelegt, wie sie durch Erweckung von Mitleid und Furcht eine Reinigung von ebendiesen Gefühlen bewirkt. Hier wollen wir nun, wie versprochen, die Komödie behandeln (nebst der Satire und dem Mimus) und darlegen, wie sie durch Erweckung von Vergnügen am Lächerlichen zu einer Reinigung von ebendieser Leidenschaft führt. (ebd. S. 593) 

Zum anderen stimmen die fiktiven Worte Aristoteles in Der Name der Rose auch mit der eingangs aufgeführten Komödien-Definition überein:

Sie handelt nicht von berühmten und mächtigen Menschen, sondern von gemeinen und komischen, die aber nicht böse sind, und sie endet auch nicht mit dem Tod der Helden. (ebd. S. 599)

Sichtbar werden an diesen Ausführungen jedoch nicht nur die Forderungen an das Figurenensemble der Komödie, sondern vielmehr auch das Potential Letzterer. So kann die Komödie trotz der ihr eigenen heiteren und erheiternden Grundstimmung auch kritische Elemente beinhalten. Auch Gotthold Ephraim Lessing stellt im Rahmen der Hamburgischen Dramaturgie das erzieherische Moment der Komödie aus, welches über bloße Unterhaltung hinausgeht: "Die Komödie will durch Lachen bessern […]" (Lessing 1978, S. 116)

Diese zweifache Ausrichtung der Komödie kennzeichnet bspw. Ludwig Tiecks Der gestiefelte Kater – ein Dramentext, der nicht nur humoristische Aspekte enthält, sondern sich im Rahmen der Handlung insbesondere über die Verschachtelung von Stück und Spiel im Spiel kritisch und selbstreflexiv mit Dramentheorie und Poetik auseinandersetzt. Über die Figur des Hanswursts wird so bspw. der "Hanswurststreit" und somit der Streit um den Anspruch der deutschen Komödie thematisiert: 

Hanswurst: Leider nur ein Deutscher. Meine Landsleute wurden um eine gewisse Zeit so klug, daß [sic] sie allen Spaß bei Strafe verboten; wo man mich nur gewahr ward, gab man mir unausstehliche Ekelnamen, als: gemein, pöbelhaft, niederträchtig, ja mein guter ehrlicher Name Hanswurst ward zu einem Schimpfworte herabgewürdigt. O edle Seele, die Tränen stehn [sic] dir in den Augen, und du knurrst vor Schmerz, oder macht es der Geruch des Bratens, der dir in die Nase zieht? Ja, lieber Empfindsamer, wer sich damals nur unterstand, über mich zu lachen, der wurde ebenso verfolgt, wie ich, und so mußt [sic] ich denn wohl in die Verbannung wandern. (Tieck 1978) 


Bibliographie

Primärliteratur

Sekundärliteratur

  • Lessing, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie. Stuttgart: Alfred Kröner, 1978.