Die Fallhöhe als Begriff der Dramentheorie bezeichnet das Verhältnis der kathartischen Wirkung des tragischen Falls eines Helden und seines sozialen und moralischen Ranges.

Explikat 

Der Begriff der Fallhöhe setzt den Fall eines Helden und die beispielhafte Wirkung des Falls in Beziehung zu seinem sozialen und moralischen Rang. Die Fallhöhe steht somit in enger Verbindung zur Ständeklausel und weist dem Fall des höherständigen Helden eine stärkere tragische Wirkung beim Publikum zu (vgl. Aristoteles 2014, S. 39). Aus der Verbindung von Ständeklausel und Fallhöhe ergeben sich zudem weitere Ansprüche an den tragischen Helden, der sich zum einen sozial, aufgrund seiner moralischen Integrität, seiner Sprache und seines Verhaltens auszeichnen sollte. Zum anderen muss er jedoch auch eine tragische Verfehlung besitzen, die sein Scheitern plausibel macht (vgl. ebd.). Darüber hinaus sind auch die Schwere des Konflikts und die Dramatik des Scheiterns weitere Faktoren zur Bestimmung der Fallhöhe. 

Mit dem bürgerlichen Trauerspiel und dem in diesem agierenden bürgerlichen Dramenpersonal wurde nicht nur die Ständeklausel zurückgewiesen, sondern auch die Fallhöhe. Insbesondere aus diesem Grund wird bei der Auswahl des illustrierenden Beispiels um dem Bereich des Theaters herumgewandert und ein filmisches Beispiel gewählt: die TV-Adaption von George R. R. Martins Buchserie A Song of Ice and Fire. Als fehlerhafter Held, der schließlich aufgrund seiner tragischen Verfehlung zu Fall kommt, bietet sich Eddard 'Ned' Stark an, der zumindest in der Populärrezeption als tragischer Held klassifiziert wird:

Ned Stark’s story is lifted right out of the pages of Othello: A great man is brought into a culture that feels foreign to him, so that he can take a leadership role within it. A manipulative villain, with Littlefinger taking the place of Iago, ingratiates himself to our hero, pretending to be his friend while actually undermining him. The villain is jealous of the hero's nobility, and decides to twist the hero's fundamental decency—and the naiveté that comes with being trusting—into a weapon with which to destroy him. (Marcotte 2015)

Sozial ausgezeichnet ist Ned Stark zum einen als Lord des Hauses Stark, womit er zu einem der großen Häuser in der fiktiven Welt Westeros gehört. Dieser Status wird zudem noch durch seine Ernennung zur Hand des Königs, die ihn zum zweiten Mann in Westeros macht, zusätzlich erhöht. Unterstrichen wird diese hohe soziale Position zum anderen durch eine herausgehobene Figurenkonzeption, die ihn als aufrichtigen, integren und loyalen Mann (und Helden) zeichnet. 

In dieser Aufrichtigkeit liegt gleichermaßen jedoch der tragische Fehler Ned Starks, der seinen Fall motiviert und handlungsintern verdient erscheinen lässt. Es ist Ned Starks Ehrbegriff, der ihn daran hindert, in der Intrigen geschwängerten Umgebung von King's Landing moralische Kompromisse und Verbindungen einzugehen und seine Gegenspieler und vor allen Dingen Gegenspielerinnen zu erkennen und adäquat auf diese zu reagieren. Diese Unfähigkeit ist es, die sein unvermeidliches Scheitern und Ende begründet. Ein Ende, das gerade aufgrund der Fallhöhe eine höchste Erregung beim Publikum ausgelöst hat (vgl. Morgan 2011). 

P.S.: Als einzige einschränkende Bemerkung diesbezüglich sei an dieser Stelle nur erwähnt, dass man sowohl im Hinblick auf die gezeichnete (tragische) Figurenkonzeption (vgl. Marcotte 2015) als auch auf die Besetzung Ned Starks möglicherweise von seiner Hinrichtung weniger überrascht hätte sein können.


 Bibliographie

Primärliteratur 

  • Aristoteles: Die Poetik. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, 2014.  

Sekundärliteratur 

Erstveröffentlichung: 16.01.2017