Inhalt

Seit dem Autounfall ihrer Eltern ist für das hawaiianische Mädchen Lilo nichts mehr so wie es mal war. Sie lebt alleine mit ihrer großen Schwester Nani, kann keine Freunde finden und fühlt sich einsam. Zu allem Unglück müssen sich die Schwestern auch noch mit dem Jugendamt herumschlagen, das Nani als Lilos Erziehungsberechtigte für ungeeignet erachtet. Um wieder ein wenig Freude in Lilos Leben zu bringen, will Nani einen Hund adoptieren. Doch zu ihrem Erschrecken fällt die Wahl ihrer kleinen Schwester auf Stitch, ein Wesen, das einem Hund ganz und gar unähnlich sieht. Was Lilo nicht weiß: Stitch ist ein Außerirdischer, der im Rahmen eines Experiments darauf trainiert wurde, ausschließlich böse und kriminelle Taten zu vollbringen. Das Alien konnte seinem Schöpfer – der bereits für seine verbrecherischen Unternehmungen verurteilt wurde – und der außerirdischen Regierung entfliehen. Nur durch einen Zufall ist Stitch auf Hawaii gelandet und wird schon von den zwei tollpatschigen, aber hartnäckigen Regierungsbeamten Jumba und Pliiklii gesucht. Ihr Befehl und Ziel: Stitch so schnell wie möglich wieder auf ihren Planeten zurückbringen und dort unschädlich machen. Womit jedoch keiner gerechnet hat: Stitch schließt trotz seiner vermeintlichen Gefühllosigkeit Freundschaft mit Lilo. Und als diese durch ein Missverständnis von der außerirdischen Regierung entführt wird, setzt Stitch alles daran, sie zu retten.

Kritik

Mit Stitch erschuf das Kreativteam des Filmes um Regisseure Dean DeBlois und Chris Sanders eine andersartige und "disney-untypische" Figur – und stellte diese sowohl in den Fokus der Handlung als auch ins Zentrum des Marketings, welches dem Film vorausging. Dementsprechend betonen auch die Trailer zum Film durch intramediale Bezüge zu anderen Disney-Filmen die Andersartigkeit des Protagonisten, der hier romantische und epische Momente klassischer Disney-Filme ruiniert. Er surft während Arielles gesanglichem Reprise von "In deiner Welt" auf einer riesigen Welle vorbei und überschwemmt die Meerjungfrau, lässt den Kronleuchter auf die tanzenden Protagonisten aus Die Schöne und das Biest fallen und zerstört einen innigen Moment zwischen Aladdin und Jasmin auf dem fliegenden Teppich, indem er in seinem Raumschiff vorbeifliegt. Diese Teaser machen schon im Vorfeld deutlich, dass Stitch nicht als klassische Disney-Figur konzipiert wurde.

Die Marketing-Strategie hebt mehrere Besonderheiten des Films hervor: Zum einen fällt sofort Stitchs ungewöhnliches Äußeres ins Auge, da er zwischen den (für Disney typisch) gut aussehenden Figuren als Außerirdischer mit sechs Extremitäten und einer blauen Hautfarbe stark hervorsticht. Auch sein zerstörerisches Verhalten wird immer wieder zur Schau gestellt. Zum anderen wird deutlich, dass Lilo und Stitch in Teilen sehr realistisch gestaltet ist. Nanis Geldprobleme und ihre Schwierigkeiten, sich vor dem Jugendamt zu beweisen, lassen den Film in einem deutlichen Kontrast zu den ansonsten eher märchenhaften Welten der vorangegangenen Disney-Zeichentrickfilmen stehen. Dies wirkt jedoch erfrischend und lässt schnell eine Identifikation mit der überforderten Nani zu. Sieben Jahre später findet sich dieses Konzept auch in Küss den Frosch, der ebenfalls in der Gegenwart angesiedelt ist und die Figuren mit alltäglichen Problemen konfrontiert.

Trotz der vielen Brüche mit den klassisch-konventionellen Disney-Filmen weist Lilo und Stitch auch einige traditionelle Komponenten auf. So ist der Fokus des Films auf den hawaiianischen Familiensinn "Ohana" (alle Familienmitglieder werden bedingungslos geliebt und respektiert) gelegt. Der Zusammenhalt der Schwestern lässt die Figuren menschlich und liebenswert erscheinen und offenbart kindlichen Zuschauern die Wichtigkeit von Geschwisterliebe. Die Erinnerung an "Ohana" ist es auch letztendlich, die Nani dazu bewegt, Stitch in ihr Herz zu schließen.

Traditionell ist auch die technische Gestaltung des Zeichentrickfilms. Die Settings von Lilo und Stitch wurden ausschließlich mit Aquarellen gezeichnet, um die Hintergründe heller und freundlicher wirken zu lassen. Diese Technik wurde seit Bambi (1942) nicht mehr angewendet, da das Zeichnen mit Wasserfarben schwierig ist. Da die Aquarelle aber die unbeschwerte und ruhige Atmosphäre Hawaiis betonen, entschied man sich trotzdem für die Verwendung der Wasserfarben.

Leider erfährt man in den Extras der Disney-Classics-Edition nichts über diese Machart oder die Besonderheiten des Films. Ohnehin bietet die neue Auflage von Lilo und Stitch keine umfangreichen Zusatzmaterialien. Es sind lediglich ein Musikvideo und ein Making-of anzuschauen, während die Special-Edition aus den vergangenen Jahren mit mehreren Informationsvideos zur speziellen Technik und Inhalten des Films aufwarten kann. Insofern ist abgesehen vom neuen Design kein großer Vorteil der Classics-Edition zu erkennen.

Zum Schluss sollte noch auf die einzigartige Soundscape von Lilo und Stitch hingewiesen werden: Neben den traditionell-hawaiianischen Kompositionen wird die Musik vor allem durch Songs von Elvis Presley dominiert. Hier wird auf die besondere Beziehung Presleys zu Hawaii angespielt, die durch sein "Aloha from Hawaii“-Konzert (erstes Satelliten-übertragenes und teuerstes Konzert der 1970er) entstand. Eine Besonderheit ist dies zudem, da bis dahin in einem Disney-Zeichentrickfilm weder Songs von realen Berühmtheiten eingespielt worden waren, noch wurden diese prominenten Menschen indirekt Teil der erzählten Welt.

Fazit

Lilo und Stitch ist ein gelungener Kinderfilm für Zuschauer ab sechs Jahren, der einige beachtenswerte, neuartige Aspekte vorweisen kann und gezielt nicht an die klassischen, vorangegangenen Disney-Filme anschließt. So distanziert sich der Film gewollt von einer märchenhaften Welt, indem die Handlung durch die Einbindung von Alltagsthemen realistisch und nachvollziehbar gestaltet wird. Der Film war letztendlich so erfolgreich (Einspielergebnis international: 273 Mio. $), dass die Geschichte um Lilo und Stitch von 2003-2005 in einer gleichnamigen Serie weitererzählt wurde.

Titel: Lilo und Stitch
Regie:
  • Name: Dean DeBlois
  • Name: Chris Sanders
Drehbuch:
  • Name: Dean DeBlois
  • Name: Chris Sanders
Erscheinungsjahr: 2002
Dauer (Minuten): 85
Altersempfehlung Redaktion: 6 Jahre
FSK: 0 Jahre
Format: Kino
Lilo und Stitch (Dean DeBlois/Chris Sanders, 2002)