Inhalt

Viktor (Kristo Ferkic) und seine beiden älteren Schwestern Cora (Joanna Ferkic) und Louise (Vjessna Ferkic) sind gerade mit ihren Eltern in die Villa eines Großonkels eingezogen, als Mutter und Vater aus beruflichen Gründen verreisen müssen. Während Louise für ihr Studium lernen muss und Cora sich mit Klavierstunden und neuen Freunden beschäftigt, ist Viktor viel allein und erkundet die geheimnisvolle Wohnung, die noch mit der Einrichtung des Großonkels bestückt ist. Dabei kommt er auf die Spur von dessen Tochter Cäcilie (Elena Oechner), die vor vierzig Jahren etwa in Viktors Alter war und unter ungeklärten Umständen zu Tode kam.

Cäcilie führte ein Tagebuch, in dem sie ein Rätsel versteckt hat. Viktor entschlüsselt nach und nach die Seiten dieses Buches, die immer wieder das Symbol des Krokodils enthalten. Auf diese Weise löst er ein Rätsel um versteckte Diamanten und erfährt zugleich mehr über den Tod des Mädchens.  Viktor, der klassische Einzelgängertyp, beweist bei diesen Abenteuern Mut und Ausdauer und hilft schließlich anderen Menschen dabei, ihr Leben unter einer anderen Perspektive zu sehen, bis er selbst dazu bereit ist, seine Isolation aufzugeben.

Abb. 1: Screenshot aus Das Haus der Krokodile (2011). Verleih: Constantin Film.Abb. 1: Screenshot aus Das Haus der Krokodile (2011). Verleih: Constantin Film.

Kritik

Das Haus der Krokodile bietet einen fesselnden und unterhaltsamen Filmstoff. Die gleichnamige 'Kriminalgeschichte' von Helmut Ballot (Erstausgabe: 1971) war bereits 1976 die Grundlage für eine Fernsehserie. Eine Reminiszenz des Kinofilms an diese Adaption ist der Gastauftritt des damaligen Kinderhauptdarstellers Thomas Ohrner als Vater des Protagonisten.

Die Kulisse hat im aktuellen Film, dessen Handlung sich auf die Villa mit Garten beschränkt, eine große Bedeutung und erweist sich als äußerst stimmig. Als Hauptdrehort wurde eine in Bad Homburg gelegene leerstehende Villa gewählt, in der auch die Innenräume nach den Vorstellungen des Filmteams ausgestattet werden konnten. Dabei versuchte man bewusst, eine zeitlose Atmosphäre zu gestalten. Die Szenerie enthält alle Orte, die man sich von einem auf ein Haus beschränkten spannungsgeladenen Handlungsstrang erwarten kann: Einen überfluteten Keller, einen Geheimgang, ein mit ausgestopften Tieren und afrikanischen Artefakten ausgestattetes Wohnzimmer und einen von Bienen bevölkerten Dachboden.

Die Filmmusik von Helmut Zerlett und Christoph Zirngibl unterstreicht die aus der Zeit gefallene, mystisch-abenteuerliche Stimmung. Musik und Geräusche spielen auch deshalb eine zentrale Rolle, weil der Film streckenweise völlig ohne Worte auskommt. Selbst das Tagebuch, das dem Protagonisten beim Lösen seines Falles hilft, enthält kaum Worte. Es besteht vorwiegend aus Bildern.

Anders als die Buchvorlage enthält der Film eine deutlich psychologische Komponente. Zwar werden einige Figuren, vermutlich den Erwartungen an  Kinder- oder Familienfilme geschuldet, überzeichnet dargestellt: So trägt der als Muttersöhnchen und Verlierertyp gezeichnete Friedrich Debisch (Christoph Maria Herbst) schlecht sitzende Hosen und großgemusterte Hemden, die große Schwester Louise wird als Küchenversagerin dargestellt, die noch nicht einmal Puddingpulver anrühren kann, und auch der Protagonist Viktor erfüllt viele Klischees, die man mit einem schrulligen Einzelgängerkind verbindet

Mehrere Figuren entpuppen sich jedoch als ganz anders, als sie auf den ersten Blick erscheinen. Das verleiht dem Film nicht nur einige spannende Enthüllungen, sondern auch ein deutliches Maß an psychologischer Tiefe. Diese spiegelt sich insbesondere in der Figur der verhärmten Hausbewohnerin Frau Debisch (Gudrun Ritter) und deren Begegnung mit dem Kind Viktor wider. Die alte Frau, die zur Zeit von Cäcilies Tod auf das Mädchen aufpassen sollte, fühlte sich ihr Leben lang verantwortlich für deren Schicksal. Viktor, der sie zunächst ebenfalls verdächtigte und fürchtete, kann ihr schließlich durch seine Findigkeit und Beharrlichkeit zeigen, dass sie keine Schuld hatte. Die Ursache für Cäcilies Tod war eine epileptische Krankheit, die man dem Mädchen verschwiegen hatte, letztlich aber die Sprachlosigkeit innerhalb ihrer Familie.

Der Schluss bietet nicht nur die durch Viktor herbeigeführte Auflösung des Diamantenrätsels und die befreiende Enthüllung des Todeshergangs von Cäcilie, sondern lässt auch den jugendlichen Protagonisten aus seiner Isolation heraustreten: Das Schlussbild zeigt Viktor, wie er den Garten der Villa verlässt und in Richtung einer spielenden Kindergruppe aufbricht. Ob ein in sanftes Licht getauchter Kinderspielplatz der adäquate Ort für einen heutigen Jungen dieses Alters ist oder eher den nostalgischen Vorstellungen der erwachsenen Betrachter entspricht, sei dahingestellt. In jedem Fall erhält der Film mit der Darstellung der Reifung des Protagonisten ein beglückendes Ende.

Abb. 2: Screenshot aus Das Haus der Krokodile (2011). Verleih: Constantin Film.Abb. 2: Screenshot aus Das Haus der Krokodile (2011). Verleih: Constantin Film.

Fazit

Während die von der Altersfreigabe zugelassenen Sechsjährigen von der Dramaturgie des Films mit seiner nahezu ungebrochenen Spannung überfordert sein dürften, ist Das Haus der Krokodile für die Zielgruppe zwischen neun und zwölf Jahren ein packender Unterhaltungsfilm. Auch Erwachsene – allein oder als Begleitpersonen – werden sich dabei nicht langweilen. Zudem bietet der Film einige Anhaltspunkte für eine Anschlusskommunikation über die Notwendigkeit von Offenheit und Austausch innerhalb von Familien und die Bedeutung von Mut und Ausdauer sowie dem unbedingten Willen, hinter die Oberfläche von Menschen und Dingen zu blicken.

Fußnoten

(1) Aussage des Darstellers Thomas Ohrner, Hessenschau vom 05.10.2011 (abgerufen am 11.06.2012).

Titel: Das Haus der Krokodile
Regie:
  • Name: Boss, Cyrill
  • Name: Stennert, Philipp
Drehbuch:
  • Name: Vollma, Eckhard
  • Name: Boss, Cyrill
  • Name: Stennert, Philipp
Erscheinungsjahr: 2011
Dauer (Minuten): 90
Altersempfehlung Redaktion: 6 Jahre
FSK: 6 Jahre
Format: DVD/Blu-ray
Das Haus der Krokodile (Cyrill Boss / Philipp Stennert, 2011)