Explikat 

Der Akt bezeichnet somit – in Abgrenzung zu Szene oder Auftritt – den größten, in sich geschlossenen und handlungslogisch abgesetzten Abschnitt im Drama. Verbunden ist die Aktstruktur häufig mit dem geschlossenen Drama, in welchem die einzelne Akte als Teile des Dramas jeweils eine mehr oder minder feste Funktion im Handlungsverlauf innehaben und somit auch an feste Positionen innerhalb der Handlung gebunden sind. Idealtypisch weisen zahlreiche Dramen der geschlossenen Form eine dreiaktige oder fünfaktige Struktur auf. Die dreiaktige Struktur lässt sich bereits in der Poetik nachweisen, in der Aristoteles drei Handlungselemente des Dramas benennt: "Ein Ganzes ist, was Anfang, Mitte und Ende hat." (Aristoteles 2014, S. 25). Aufzeigen lässt sich das dreiaktige Prinzip – und zwar sowohl inhaltlich als auch paratextuell – bspw. anhand von Paul Maars und Christian Schidlowskys F.A.u.s.T.: Furiose Abenteuer und sonderbare Träume

Beispielanalyse der Dreiaktstruktur: F.A.u.s.T.: Furiose Abenteuer und sonderbare Träume

1. Akt – Anfang/Exposition

  • Vorstellung von Faust als Protagonisten, seinen Lebensumständen und Motivationen 
  • Vorstellung von Rufus als Antagonisten 
  • Vorstellung der Nebenfiguren (Gretchen, Großmutter, Mönch)
  • Etablierung des Handlungsraums 

2.Akt – Mitte

  • Etablierung des zentralen Konflikt des Dramas
    • Teufelspakt und möglicher Verlust von Fausts Seele

3. Akt – Ende/Auflösung 

  • (glückliche) Auflösung des Konflikts 
  • Faust trifft Rufus wieder und wird versucht
  • Faust bewährt sich –> glückliches Ende (Happy End) mit Gretchen

Der Fünfakter als Idealtypus ist hingegen auf Gustav Freytag zurückzuführen, der folgende Einteilung vorsieht: 

a) Einleitung
b) Steigerung
c) Höhepunkt
d) Fall oder Umkehr
e) Katastrophe
(vgl. Freytag 2003, S. 95)

Zwischen den einzelnen Teilen, die sich nach Freytag pyramidal ausrichten lassen (vgl. ebd.), stehen drei wichtige szenische Wirkungen, die die einzelnen Teile gleichermaßen verbinden und trennen. 

I erregendes Moment (zwischen Einleitung und Steigerung)
II tragisches Moment (zwischen Höhepunkt und Umkehr)
II Moment der letzten Spannung/retardierendes Moment (zwischen Umkehr und Katastrophe)
(vgl. ebd.) 

Wie bedeutsam die Einteilung in Akte auch über den idealtypischen Aufbau in fünf Akte und über die Mediengrenzen des Theaters hinaus ist, zeigt bspw. Kristin Thompsons Analyse von Filmen des New Hollywood Cinema, in denen sie die Dominanz einer Vieraktstruktur ausmacht. Auch in J.K. Rowlings Theaterstück Harry Potter and the Cursed Child lässt sich sowohl paratextuell, strukturell als auch inhaltlich eine Vieraktstruktur identifizieren.

Thompson benennt in ihrer Analyse vier verschiedene Akte ("setup", "complicating action", "development" und "climax" [Thompson 1999, S. 37]), wobei der Übergang von Akt zu Akt durch bestimmte Wendepunkte markiert wird, die die Richtung der Handlung bzw. die Zielsetzung der Hauptfiguren ändern (vgl. ebd.). Thompsons Schema soll im Folgenden am aktuellen Beispiel von Harry Potter and the Cursed Child veranschaulicht werden.

Beispielanalyse der Vieraktstruktur: Harry Potter and the Cursed Child 

1. Akt – Setup

  • Vorstellung und Einführung aller beteiligten Figuren, ihrer Beziehungen untereinander und ihrer (scheinbaren) Motivation 
  • Missionsfindung von Albus Potter und Scorpius Malfoy und daraus resultierende Motivation ihrer Eltern, sie wiederzufinden 
  • erste erfolgreiche Bewährungsprobe, die Albus Potter und Scorpius Malfoy Hilfe bei ihrer Mission verschafft

Die expositorische Funktion des ersten Aktes wird in Harry Potter and the Cursed Child auch innerhalb der Figurenrede thematisiert: 

ALBUS
Mate, now we’ve got this, the next stop is saving Cedric. Our journey has only just begun.
(Rowling, Tiffany und Thorne 2016, S. 94)

2. Akt – Complicating Action

  • Verschiedene Zeitreisen der Protagonisten, die zu weiteren und jeweils desaströseren Konsequenzen führen und mit Albus Potters Nicht-Existenz enden
  • Wendepunkt: Scorpius Malfoys Mission wechselt vom Retten Cedric Diggorys zur Rettung seines besten Freundes Albus Potter und der Wiederherstellung der ursprünglichen Gegenwart

3. Akt – Development 

  • Delphi wird als tatsächliche Antagonistin enthüllt und zudem wird ihre Mission, Voldemort zurückzuholen, offenbart 
  • Scorpius Malfoy und Albus Potter werden zu diesem Zweck entführt und in die Vergangenheit verbannt
  • Draco Malfoy offenbart sein Geheimnis und verbündet sich endgültig mit Harry Potter, um die Kinder zu retten 
  • Wendepunkt: Harry und Ginny Potter, Draco Malfoy und Hermione und Ron Weasley begreifen, dass ihre wahre Mission ist, Delphi von ihrem Plan abzuhalten 

4. Akt – Climax

  • Showdown in Godric's Hollow 

Bibliografie

Primärliteratur

  • Aristoteles: Die Poetik. Bibliographisch ergänzte Ausgabe. Stuttgart: Reclam, 2014.
  • Maar, Paul und Christian Schidlowsky: F.A.u.s.T.: Furiose Abenteuer und sonderbare Träume. In: Texte.Medien: Paul Maar; Christian Schidlowsky: F.A.U.S.T. Furiose Abenteuer und sonderbare Träume: Textausgabe mit Materialien. Hrsg. von  Peter Bekes und Volker Frederking. Braunschweig: Schrödel, 2005. S. 9-63.
  • Rowling, J.K. und John Tiffany und Jack Thorne: Harry Potter and the Cursed Child. London: Little, Brown, 2016. 

Sekundärliteratur

  • Freytag, Gustav: Technik des Dramas. Neuauflage. Berlin: Autorenhaus, 2003.
  • Thompson, Kristin: Storytelling in the New Hollywood. Understanding classical narrative technique. Cambridge/London: Harvard University Press, 1999.