Inhalt

Eigentlich will die kleine Maus einfach nur zu diesem großen Käsefest in der Schweiz, das einmal im Jahr stattfindet. Doch sie kommt einen Tag zu spät an – und egal, wie oft sie die Uhren, die sie in der Stadt findet, in ihrer Verzweiflung umstellt: Die Zeit umzukehren, das bekommt die kleine Maus nicht hin, ganz gleich ob sie es mit einem Wecker, einer Analoguhr, einer Digitaluhr, einer Herduhr oder sogar mit der großen Uhr am Rathausturm versucht. Die Zeit scheint etwas Unumkehrbares zu sein. In einem Uhrenladen trifft sie schließlich zufällig einen Maus-Uhrmacher. Dieser kann ihr zwar alles über sein Handwerk erzählen; was aber die Zeit ist: das weiß er auch nicht wirklich.

Doch immerhin hat der alte Mäuserich einen Tipp für seinen jungen Artgenossen: Vor 80 Jahren habe es in der Stadt einen Wissenschaftler gegeben, der „ein paar ziemlich revolutionäre Ideen über die Zeit“ hatte. Nach langer Sucherei findet die Maus schließlich auf dem Dachboden des Berner Patentamts eine Buchausgabe von Albert Einsteins Relativitätstheorie – den der alte Mäuserich natürlich meinte und der vor Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere hier arbeitete. Als der kleinen Maus das Buch auf den Kopf fällt, hat sie eine Eingebung: Sie vergräbt sich in mathematischen Formeln und Berechnungen und bastelt sich eine Zeitmaschine.

Damit landet sie allerdings nicht, wie eigentlich ersehnt, ein paar Tage in der Vergangenheit, sondern gleich im Jahr 1905. Dort trifft sie den jungen Einstein, bringt ihn mit heimlichen Notizen auf den Weg zur Ausformulierung seiner Speziellen Relativitätstheorie und schafft es mit seiner unwissentlichen Hilfe, wieder in die Gegenwart zurückzureisen, gerade rechtzeitig zum Käsefest. Nicht, ohne dem genialen Physiker eine letzte Notiz zu hinterlassen, die den Schlüssel zur modernen Physik bedeutet: "Zeit ist relativ".

Kritik

Mit Mäusen als Protagonisten erzählt sich Torben Kuhlmann mittlerweile durch ein veritables technikhistorisches ouevre: Bereits mit Lindbergh. Die abenteuerliche Geschichte einer fliegenden Maus (2014) etablierte sich der Hamburger als einer der profiliertesten Bilderbuchautoren im deutschsprachigen Raum. Es folgten Maulwurfstadt (2016), Armstrong. Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond (2016) sowie Edison. Das Rätsel des verschollenen Mauseschatzes (2018). Alle Bände – und auch Einstein – folgen einem ähnlichen narratoästhetischen Muster: Im Fokus stehen die technikhistorischen Errungenschaften einer abenteuerlustigen Maus, die diese Leistungen gleichsam stellvertretend für die Menschen im Format einer Bildgeschichte erlebt.

Mit Einstein verschiebt sich die erzählerische Ausrichtung in Richtung Science Fiction, entspricht das Motiv der Zeitreise doch keinem konkreten technikhistorischen Ereignis, sondern einer gedanklichen Extrapolation aus Einsteins Relativitätstheorie. Zugleich dekliniert der Band erstaunlich konsequent zahlreiche Varianten des Zeitmotivs durch: Bereits das erste Kapitel lässt die kleine Maus die Zeiger einer Taschenuhr betrachten, die gerade auf Mitternacht springen – Anlass für die Maus, ein weiteres Blatt vom Wandkalender zu reißen, um ausgerechnet am Freitag, den 13. per Zug zum Berner Käsefest zu reisen, wo sie aber zu spät ankommt.

Nach diesem Muster geht das Spiel mit dem Zeitmotiv weiter: Die Maus versucht, die Zeit zurückzudrehen, indem sie alle Uhren umstellt, denen sie über den Weg läuft; der Uhrmacher erklärt ihr die Rolle von Zeitbegriffen etwa in der Astronomie und Astrologie. Und die Zeitmaschine baut sich die kleine Maus natürlich u.a. aus Einzelteilen eines Analogweckers zusammen, bevor sie im Stil von Doc Brown und Marty McFly aus Zurück in die Zukunft via Blitzeinschlag in der Vergangenheit verschwindet.

So konsequent Kuhlmann das Spiel mit dem Zeitmotiv auch betreibt, wirkt der Handlungsverlauf von Einstein stellenweise zu konstruiert: Die Zeitreise der kleinen Maus inklusive ihrer Begegnung mit Albert Einstein resultiert aus einer Reihe eher disparater Zufälle. So ergibt sich mit der mehrfachen Reise zum Käsefest zwar ein erzählerischer Rahmen, aber die dazwischen liegenden Erlebnisse der Maus wirken wie Zufallsbegegnungen, die lediglich den Zweck haben, die Handlung voranzutreiben.

Letztlich ist das aber nur Detailkritik: Kuhlmanns Geschichten leben von ihren ebenso opulenten wie detailverliebten, großformatigen Illustrationen, und sie leben von dem Charme der Grundkonstellation, die sie durchspielen: eine kleine, namenslose, aber abenteuerlustige kleine Maus, die nicht nur Zeuge, sondern Katalyst bedeutender menschheitsgeschichtlicher Entwicklungen ist.

Im Anhang der Geschichte findet sich wie immer bei Kuhlmanns Geschichten ein erklärender Teil, der diesmal recht umfangreich ausfällt, bedarf es doch vieler Hintergrundinformationen zu Einsteins Person ebenso wie Erklärtexte zur Relativitätstheorie, zum Zeitreisekonzept und zur Rolle von Gedankenexperimenten zur Lichtgeschwindigkeit…

Fazit

Einstein ist Kuhlmann erzählerisch nicht ganz so gelungen wie die früheren Bände; ein ästhetisches Erlebnis ist aber auch dieses Mäuseabenteuer. An den Bildern können sich schon die Kleinsten erfreuen; ansonsten dürften sich Kinder ab etwa zwölf Jahren mit einem Penchant für naturwissenschaftliche Themen in dieses Buch vergraben.

 

Fachlexikonartikel zu Leben und Werk von Torben Kuhlmann:

Weitere Rezensionen von Werken Torben Kuhlmanns:

Interview mit Torben Kuhlmann:

Titel: Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit
Autor/-in:
  • Name: Torben Kuhlmann
Illustrator/-in:
  • Name: Torben Kuhlmann
Erscheinungsort: Zürich
Erscheinungsjahr: 2020
Verlag: NordSüd
ISBN-13: 978-3314105296
Seitenzahl: 128
Preis: 22,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Kuhlmann, Torben: Einstein. Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit