Inhalt

Alles ist möglich – zumindest in den Tiergeschichten und Tiergedichten dieses Hörbuchs. So gelingt es etwa einem außergewöhnlich musikalischen Nashorn, eine Löwenherde zu Vegetariern zu machen. Der Friede kommt in Form von Endreimen: "Kein Löwe je noch Festres fraß / Als Erbsmus oder Ananas" (12/07:20). Denn die Löwen wissen jetzt: "Der Schneidezahn, der Kunst bestimmt / Zu leicht im Kriege Schaden nimmt" (12/06:11). Und wie ist das bei uns Menschen?

Eine schwererziehbare Raupe weigert sich, ein Schmetterling zu werden. Da helfen weder gutes oder vernünftiges Zureden noch Drohungen. Die erwachsenen Schmetterlinge geraten während der Diskussion um den erzieherischen Umgang mit dieser "Problemraupe" derart in Rage, dass sie sogar "flügelgreiflich" werden. Die Raupe verkriecht sich. Und wie ist das bei uns Menschen?

Ein Eidechs bezichtigt eine Schnecke der Lüge und schimpft: "Da sitzen Sie also und lügen" (19/01:24). Da verteidigt sich die aufgebrachte Schnecke: "Frechheit! Wer sitzt? Ich renne ja!" (19/01:36). Und wie ist das bei uns Menschen?

Insgesamt enthält das Hörbuch 21 Texte/Gedichte in einer Länge zwischen einer halben Minute und einer viertel Stunde. Auf der Homepage des Eulenspiegel Verlags heißt es: "Das Hörbuch vereint ganz verschiedene Tiergeschichten und Gedichte von Peter Hacks, darunter echte Klassiker der Kinderliteratur wie 'Der Bär auf dem Försterball', denen die Stimme von Christian Steyer noch einmal eine ganz neue Note verleiht."

 

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Kritik

Wer beim Titel und beim Namen Christian Steyer, einem ja nicht unbekannter Musiker, auch ein musikalisches Hörbuch erwartet, wird, wenn nicht enttäuscht, so doch wahrscheinlich überrascht. Es gibt keine Musik. Der Schauspieler, Lehrer und Sprecher Steyer liest Hacks' Gedichte und Geschichten ohne musikalische Unterstützung – eine Herausforderung, die der Sprecher gut meistert. In seinem gewohnt ruhigen Erzählfluss mit gekonnt gesetzten Pausen und Modulationen (Bauer Semmelkorn hat eine unverwechselbare Dialektfärbung) führt die aus der Tierparksendung Elefant, Tiger & Co bekannte Stimme durch die ca. 69 Minuten Gesamtlänge. Als Hörerin und Hörer muss man allerdings erst einmal "hineinfinden", sind wir doch so sehr an Musik gewohnt. Dieses reine Zuhören erfordert Konzentration, v. a. bei jungen Hörerinnen und Hörern. Steyer, selbst Verfasser von Tiergedichten (Vom kleinen Storch der Vater, 2007, Faber & Faber Verlag), zu denen es auch ein Hörbuch gibt, mag diese unaufgeregte Art:

Ich möchte, dass für den Leser und Zuhörer […] Raum für Eigenes bleibt. Dass man sich angeregt fühlt oder gar die Texte mit eigenen Erfahrungen ergänzt. In unserer Zeit ist der Raum meist verstellt (Rolf Richter auf www.christiansteyer.com).

Was Steyer für seine Gedichte möchte, ist mit Hacks' Texten sehr gut möglich. Diese evozieren Bilder im Kopf. Man denke an die Frau Tausendfuß, die ihre Socken an einer Spinnenwebe aufhängt. Derartige "Kopf-Artefakte" entstehen bei Kindern und Jugendlichen in unserer Zeit zu selten, werden sie doch von klein auf mit Fotografien, Grafiken, Videos und Ähnlichem überflutet. Auf dem CD-Cover findet man eine große und zwei kleine Zeichnungen vom preisgekrönten Künstler Klaus Ensikat, der bereits Peter Hacks' Buch Jules Ratte oder Selber lernen macht schlau mit seinen architektonisch gebauten, detailreich artifiziellen Illustrationen gestaltet hat. Ensikats Nashorn auf diesem CD-Cover erinnert stark an Dürer. Eine Wohltat für Augen, die sich von grellen, oft inhaltslosen Bildern erholen möchten.

Die Geschichten und Gedichte von Peter Hacks stecken voller Fantasie, regen zum Nachdenken an, sind witzig (böse) und erweitern eventuell minder ausgeprägte Biologiekenntnisse: Was war noch einmal ein Dickkopf-Falter?

Zudem fallen ins Jahr 2018 zwei Gedenktage an Peter Hacks, den Dramatiker, Lyriker, Erzähler und Essayisten: sein 90. Geburtstag sowie sein 15. Todestag. So heißt es auf der Homepage der Peter-Hacks-Gesellschaft:

Seine Werke sind ein literarischer Schatz. Dessen Hebung und Bewahrung sich die Peter-Hacks-Gesellschaft gemeinsam mit dem Eulenspiegel Verlag und dem Aurora Verlag angelegen sein lässt (www.peter-hacks-gesellschaft.de).

Fazit

Ein leises Hörbuch in einer lauten Zeit. Der Titel Das musikalische Nashorn kann jedoch zunächst nicht eingelöste Erwartungen beim Publikum wecken. Denkt man doch eher an ein Musical, das es ja mit diesem Titel wirklich gibt, oder an ein Musikmärchen. Gerade bei einem Hörbuch wäre eine andere Titelwahl vielleicht besser gewesen. Bleibt noch die Frage, ab welchem Alter und für wen dieses Hörbuch empfehlenswert ist. Die Antwort auf der Verlagshomepage lautet: "Für die ganze Familie". Bei Amazon findet sich die Angabe 0-16, wobei diese Obergrenze recht willkürlich gewählt zu sein scheint. Mit diesen kurzen Texten kann meines Erachtens nach nicht früh genug begonnen werden, allein um einen Kontrast gegen laute Medien zu setzen. Es ist auch gut möglich, nur ein Gedicht mit wenigen Minuten für die ganz Kleinen auszuwählen. Eine altersmäßige Obergrenze gibt es ohnehin selten und hier gar keine. Peter Hacks spricht wie etwa auch James Krüss und Erich Kästner alle Altersgruppen an: ein "All-Age-Hörbuch" sozusagen.

Ein empfehlenswertes Hörbuch, das auch dazu einlädt, die Texte und Gedichte den Kleinen selbst nachzuerzählen, was nochmals eine neue Qualität bringen kann.

Titel: Das musikalische Nashorn und andere Tiergeschichten
Autor/Bearbeitung:
  • Name: Peter Hacks
  • Name: Patrick Römer
Sprechende: Christian Steyer
Produktion: unisono-records
Erscheinungsjahr: 2018
Dauer (Minuten): 69 Minuten
Preis: 12,99 €
Altersempfehlung Redaktion: 3 Jahre
Hacks, Peter: Das musikalische Nashorn und andere Tiergeschichten (Hörbuch)