Titel des Projekts/Title: Sprachen des Anderen – Sprachen des Selbst. Ethische Fragestellungen in der Kinder- und Jugendliteratur

VerfasserIn/Author: Lisa Rettinger (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Sprache/Language: Deutsch

Art des Projekts/Type: Dissertation

Projektlaufzeit/Duration: 2020-

Universität/University: Universität Augsburg

Keywords: Figuren des Anderen, Ethik, Werte-/Normvorstellungen, Irritation

 

Beschreibung/abstract:

Die Kinder- und Jugendliteratur (KJL) ist seit ihrer Entstehung in einem einzigartigen Spannungsfeld situiert. Neben der literarischen Ästhetik und dem Aspekt der Wissensvermittlung spielen die zugrunde liegenden pädagogisch-erzieherischen Absichten eine bedeutende Rolle. Gerade diese Absichten, die sich seit der Genese der KJL respektive der Epoche der Aufklärung manifestieren, prägen ihre Rezeption bis in die heutige Zeit.
Hier setzt das Forschungsvorhaben an: In gegenwärtigen Texten der KJL kommt es zu einer Fokusverschiebung, einem Wandel in der pädagogisch-erzieherischen Ausrichtung. Ziel der gegenwärtigen KJL ist weniger eine ausdrückliche moralische Belehrung, sondern vielmehr eine Befähigung, Haltungen zu finden, Positionen zu beziehen und ethisch zu reflektieren. Literatur für Heranwachsende wird so zu einer Plattform für ethische Auseinandersetzungen. Dabei sind – so eine Hypothese der Dissertation – insbesondere die Figuren des Anderen von ethischer Signifikanz. Sie erscheinen als disruptives Element der dargestellten (vertrauten) kindlichen Lebenswelt. In Abhängigkeit vom jeweiligen Entstehungskontext des literarischen Textes kommt es ergo zu einer Konfrontation der Normen, Kategorien und Wertmaßstäbe. Neben der Sensibilisierung für die Möglichkeit pluraler Weltkonstruktionen befähigen die Figuren des Anderen die Rezipierenden (insbesondere Kinder) auch zu ethischen Reflexionen. Was bedeutet Geschlechtlichkeit? Was passiert, wenn ein Haustier zum Menschen wird? Worin liegt die Andersheit von Maschinenwesen begründet? Kann ein Vampir als ‚verwandelter‘ Mensch zum Anderen werden? Neben den Fragen, die mit dem Auftreten des Anderen evoziert werden, sind diese Figuren ferner – so eine weitere Hypothese der Dissertation – bedeutend im Prozess der kindlichen Identitätsbildung.
Figuren des Anderen bieten ein Irritationsmoment, das neue Sichtweisen eröffnet und infolge der Auseinandersetzung zwischen Selbst und Anderem auch die Bildung von Identität fördert.

Since its creation, children's and youth literature (Kinder- und Jugendliteratur [KJL ]) has been situated in a unique field of tension. In addition to literary aesthetics and the aspect of imparting knowledge, the underlying pedagogical educational intentions play a significant role. It is precisely these intentions, which have manifested themselves since the genesis of the KJL (epoch of the Enlightenment) and shape its reception up to the present day.
My research project focuses on this initial point : In contemporary texts of the KJL, there is a shift in focus, a change in the pedagogical educational orientation. The aim of contemporary KJL is less an explicit, moral instruction, but rather an empowerment to find preferences, to take positions, and to reflect ethically. Literature for adolescents thus becomes a platform for ethical debate. According to the hypothesis of my dissertation , the figures of the Other are of particular significance. They appear as a disruptive element in the shown (familiar) childlike world. Norms, categories, and value standards are confronted depending on the respective context of the production and origin of the literary text. In addition to sensitising the reader to the possibility of plural world constructions, the figures of the Other also enable the recipients (especially children) to reflect their viewpoints and ideas on morality. What does gender mean? What happens when a pet becomes a human being? What are the reasons for the otherness of machine beings? Can a vampire become an Other as a 'transformed' human being? Beyond to the questions evoked by the appearance of the Other, these figures are also – according to another hypothesis of the dissertation – significant in the process of children's identity formation.
Figures of the Other offer a moment of irritation that opens new perspectives and, as a result of the confrontation between self and Other, also promotes the formation of identity.

 

Biographische Informationen/CV:

Lisa Rettinger arbeitet derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft mit Schwerpunkt Ethik (Universität Augsburg) und betreut das Teilprojekt "Sprachen des Anderen – Sprachen des Selbst", welches im Rahmen der Förderung der Lehrerprofessionalität im Umgang mit Heterogenität (LeHet) gefördert wird. Zuvor studierte sie im Bachelor Vergleichende Literaturwissenschaft sowie Erziehungswissenschaft und schloss ihr Studium mit dem Elite-Masterstudiengang Ethik der Textkulturen ab (04/2013 – 09/2019). Seit 2020 forscht Lisa Rettinger im Rahmen eines Dissertationsprojekts (betreut durch Prof.in Stephanie Waldow) zu Figuren des Anderen und deren ethischem Potential in der Kinder- und Jugendliteratur. Weitere Forschungsschwerpunkte bilden darüber hinaus die Beschäftigung mit Auto(bio)fiktionen im Kontext des Erzählens von Kindheit, die Auseinandersetzung mit literarischen Konstruktionen von Welt und deren Mehrdeutigkeiten (auch Mehrsprachigkeit).

 

Weitere Informationen/Additional information:

Lisa Rettingers Internetseite an der Universität Augsburg