Wie kam es dazu, dass sich das Junge Museum Speyer dem Thema Kinderliteratur widmet?

Seit 1999 konzipiert das Junge Museum Speyer als Kindermuseum im Historischen Museum der Pfalz Ausstellungen, die sich an junge Besucherinnen und Besucher zwischen vier und zwölf Jahren richten. Aufgabe ist es, jungen Menschen und deren Familien das Museum als einen Ort näher zu bringen, an dem man sich gerne aufhält, der Unterhaltung und Erlebnisse bietet, Wissen vermittelt und zu aktiver Teilnahme motiviert. Die Inhalte und Fragenstellungen der Ausstellungen sind breit gefächert und interdisziplinär. Sie reichen von kulturhistorischen Projekten bis hin zu eher literarisch, künstlerischen Schauen wie Das Sams und die Helden der Kinderbücher (2018/2019) oder Der Grüffelo kommt zurück (2022/2023).

interview biasini Sams Eingang CBHier wohnt das Sams - Die dem Drehort des ersten Sams-Films (die Judengasse in Bamberg) nachempfundene Fassade des Wohnhauses von Familie Taschenbier kann im Jungen Museum besichtigt werden © Historisches Museum der Pfalz Speyer, Foto: Carolin Breckle

Für die Auswahl der Themen ist entscheidend, dass sie für die Lebenswelt unserer jungen Besucherinnen und Besucher relevant sind und Lust machen, das Museum zu besuchen. Das trifft auf die Kinder- und Jugendliteratur zu. Darüber hinaus bietet Kinder- und Jugendliteratur viele spannende Themenfelder, die in einer Ausstellung bearbeitet werden können: Das Werk an sich, der Kontext der Entstehung, die Rezeption, die Autorinnen und Autoren, der Umgang mit Sprache, die Illustrationen, Erzählmotive, die literarischen Figuren und deren spezifische Welt.

Wie gelingt es, Kinderliteratur im Museum für Kinder und Erwachsene erfahrbar zu machen?

Eine Ausstellung lebt von den Objekten, den Geschichten, die diese erzählen und deren Inszenierung. Sie ist ein visuelles und räumlich erfahrbares Erlebnis. Gleichzeitig spielen die kleinen und großen Besucherinnen und Besucher eine wichtige Rolle. Sie lassen mit ihrem individuellen Wissen, ihren Erwartungen und Bedürfnissen im Museum eine Lernwelt entstehen, die individuell gestaltet und erlebt wird. Mit den Familienausstellungen möchte das Junge Museum Speyer diese Lernwelt als einen sinnlichen Erfahrungsraum mitgestalten, indem das Bekannte mit Neuem verbunden wird und der zur Interaktion anregt.

Die Ausstellung Der Grüffelo kommt zurück inszeniert auf etwa 400 qm die Welt der beiden Bilderbücher Grüffelo und Grüffelokind von Julia Donaldson und Axel Scheffler. Raum für Raum wird die bekannte Grüffelo-Geschichte mit den als Wandgrafiken groß gezogenen Buchillustrationen und Zitaten aus dem Buch erzählt. In jedem Raum gibt es Angebote aktiv zu werden und sich mit unterschiedlichen Aspekten der Erzählung, wie zum Beispiel der Naturdarstellung oder Resilienz, auseinanderzusetzen.

interview biasini Gruffelo JPEintauchen in den Grüffelo-Wald © Historisches Museum der Pfalz Speyer, Foto: Julia Paul

Was wird da eigentlich ausgestellt?

Die Ausstellung Der Grüffelo kommt zurück macht den Grüffelo-Wald mit den Tieren und Pflanzen, wie sie in dem Bilderbuch auf den Illustrationen von Axel Scheffler zu finden sind, als Bühnenkulisse begehbar. Hier bietet es sich an, Objekte und Präparate aus der realen Tier- und Pflanzenwelt den Illustrationen gegenüber zu stellen. Außerdem bietet die vielschichtige Geschichte zahlreiche Anregungen, sich mit Erfindungsgabe, Mut und Angst zu beschäftigen. Ein Schattentheater mit Masken, eine Monstermalstation, Höhlen zum Erkunden, Rollen- und Lernspiele laden zu aktivem Erkunden, Erforschen, Erproben und Gestalten ein. Die jungen Besucherinnen und Besucher können sich in einer Welt der Fantasie und des Wissens ausprobieren, in ihrer eigenen Kreativität ausdrücken, eigene Geschichten entwickeln und das Erfahrene im Spiel individuell vertiefen.

Die Ausstellung Das Sams und die Helden der Kinderbücher stellte in Themenräumen bekannte Heldinnen und Helden aus der Kinderliteratur des 20. Jahrhunderts vor wie das Das Sams von Paul Maar, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer von Michael Ende, Der kleine Wassermann von Otfried Preußler, Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren, Der kleine Ritter Trenk von Kirsten Boie, oder Meister Eder und sein Pumuckl von Ellis Kaut. Bei der Entwicklung der Inszenierungen zu diesen Themenräumen halfen filmische Adaptionen. Nachbauten aus den Erzählungen wie zum Beispiel die "Knackwurst-Bring-Anlage" aus dem Sams, Filmrequisiten wie das "Fliewatüüt" von Boy Lornsen aus Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt, Medien und vor allem die Buchillustrationen von Künstlerinnen und Künstler wie Amelie Glienke, Barbara Scholz, Axel Scheffler oder Paul Maar im Original ließen die Präsentation zu einem immersiven Erlebnis werden, in dem sich verschiedene Gestaltungs- und Erzählebenen verbanden. Inhaltlich standen bei der Konzeption der interaktiven Stationen hier die Frage, was diese literarischen Figuren zu Heldinnen und Helden macht und der spielerische Umgang mit Sprache im Fokus.

interview biasini Sams  Pipi Langstrumpf CBKüchenboden putzen mit Bürsten unter den Füßen - Ein für kleine und große Museumsbesucher bekannter Handlungsort aus der Welt von Pippi Langstrumpf ist die Küche der Villa Kunterbunt © Historisches Museum der Pfalz Speyer, Foto: Carolin Breckle

Welche besonderen Herausforderungen (z.B. in Bezug auf Urheberrechte) gibt es, wenn Kinderliteratur Gegenstand von Ausstellungen wird?

Die Nutzungsrechte müssen mit den Rechteinhabern und den Verlagen geklärt und vertraglich geregelt werden. Unter Umständen muss auch das Ausstellungskonzept abgestimmt werden. Bei Marken, wie zum Beispiel Der Grüffelo, gibt es Manuals, die Schreibweisen und den Einsatz von Illustrationen genau regeln.

Welche Zielgruppen erreichen Sie mit Ihren Ausstellungen?

Die Familienausstellungen des Jungen Museums richten sich an junge Besucherinnen und Besucher zwischen vier und 12 Jahren, an Familien mit Kindern sowie Kitas und Schulen.

Welche Rolle spielen Führungen im Rahmen von Kinderbuchausstellungen?

Zur Vermittlung der Lerninhalte nutzt das Junge Museum eine Vielzahl an aktivierenden und spielerischen Methoden. Unter den Vermittlungsformaten spielt die personale Vermittlung eine besondere Rolle, denn sie ermöglicht die direkte Kommunikation mit den Besucherinnen und Besuchern. Außerdem kann man dadurch direkt und situativ reagieren und so den Ausstellungsbesuch sehr bereichern.

Welche Vor- und Nachbereitung wäre für Besuche von Gruppen ideal?

Wenn der Museumsbesuch im Rahmen eines Projektes stattfindet oder bestimmte Lernziele vertieft werden sollen, ist es hilfreich, Zeit für die Vor- und Nachbereitung einzuplanen. Die Handreichungen des Jungen Museums auf der Homepage des Historischen Museums der Pfalz bieten dazu viele Hintergrundinformationen und praktische Hinweise.

Warum lohnt es sich, Kinderliteratur ins Museum zu holen?

Wie Kultur generell, ist Kinderliteratur wesentlich für die Entwicklung von jungen Menschen. In Büchern finden sie Charaktere, die ihnen Spiegel sind für Emotionen, Wünsche und Träume. Wie jede Literatur trägt Kinder- und Jugendliteratur dazu bei, den Blick auf die Welt immer wieder zu schärfen und zu erneuern. Gleichzeitig ist Kinder- und Jugendliteratur eine ernstzunehmende Kunstform, die ihren Platz in Museen hat und Grundlage für spannende Ausstellungen sein kann.

Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg beim Ausstellen von Kinderliteratur!