Inhalt

Der zweite Teil des lose auf Motiven von Hans Christian Andersens Die Schneekönigin basierenden Animationsfilms erscheint sechs Jahre nach dem ersten Teil. Auch inhaltlich macht die Geschichte einen Zeitsprung und die beiden Schwestern Anna und Elsa befinden sich mittlerweile schon im jungen Erwachsenenalter. Zunächst gibt es einen Rückblick, in dem man die jungen Geschwister mit ihren Eltern sieht. Ihr Vater berichtet ihnen von einem vergangenen Kampf zwischen zwei verhassten Völkern und die Mädchen erfahren, dass ihr Vater als junger Mann aus Arendelle im Kampf gegen das magische Volk der Northuldra beinahe sein Leben verlor, aber gerade noch gerettet werden konnte.

Die Prinzessinnen Anna und Elsa sitzen als kleine Kinder, glücklich lächelnd, mit ihren noch lebenden Eltern zusammenAbb. 1: Die Prinzessinnen Anna und Elsa sitzen als kleine Kinder, glücklich lächelnd, mit ihren noch lebenden Eltern zusammen. (c) Walt Disney Animation Studios, 2019

Wie in Die Eiskönigin I geht es auch in der Fortsetzung zentral um die Ungewissheit über den Ursprung Elsas magischer Fähigkeiten. Im Laufe des Films hört sie eine mysteriöse, immer wiederkehrende Stimme, die nur für Elsa zu singen scheint. Sie folgt der Stimme und begibt sich auf die Suche nach den Antworten, die sie längst ersehnt.

Auf ihrem Weg verbündet sie sich mit den vier Geistern Erde, Luft, Feuer und Wasser, um das Geheimnis der Vergangenheit lüften und den Grund für ihre Kräfte erkennen zu können: Ihre Mutter gehörte einst dem Volk der Northuldra an und es war sie, die dem Vater der Schwestern damals das Leben rettete. Zum Dank für die Rettung des jungen Mannes und der damit einhergehenden Überwindung des Hasses zwischen den beiden Völkern belohnten die Waldgeister Arendelle mit einer magischen Königin, die im Laufe der Jahre geboren werden sollte – Elsa. Elsa ist also auch eine Northuldra.

Eine Parallele in der Figurenzeichnung zum ersten Film ist durch die Figur des Großvaters erkennbar, der zu Beginn sympathisch etabliert wird, um sich später als Mörder und Grund allen Übels zwischen den Völkern zu erweisen, ähnlich wie Prinz Hans in Teil I sich anfänglich als charmant verkauft, um die Schwestern im weiteren Verlauf der Handlung als Antagonist in Gefahr zu bringen. Dass der Großvater das Leid und den Hass zwischen den Völkern gestiftet hat, soll Anna und Elsa dazu bewegen, das Unrecht zu sühnen und als Nachkommen Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen. Die Menschen verschiedener Völker vereinen sich und Elsa steht für das Bindeglied zwischen Mensch und Magie.

Eine Brücke verbindet zwei Seiten. Die Brücke ist hier einerseits Symbol, andererseits verweist sie konkret darauf, dass Anna in Arendelle herrschen und Elsa als magische Königin den Wald beschützen wird, das Volk der Northuldra, das Volk ihrer Mutter.

Kritik

Elsas Ungewissheit über die Herkunft ihrer Kräfte und die Sehnsucht nach Erkenntnis werden dramaturgisch klug und spannungsgeladen umgesetzt. Auch der Tod der Eltern aus dem ersten Teil wird in dem Zusammenhang aufgegriffen: Die Schwestern erkennen, dass sie tragischerweise ihr Leben verloren, während sie das Rätsel um Elsas Magie zu lösen versuchten. Dies trug sich auf dem Weg zum geheimnisvollen Ahtohallan-Fluss zu, in dem, so heißt es, die Antworten der Vergangenheit fließen, die Antwort auf die Frage, wer wir sind. Bereits im ersten Teil mutet die Frage als zentraler Leitfaden für die Schwestern an. Insgesamt knüpft der zweite Frozen-Film auf gelungene Weise an die Vorgeschichte der Geschwister an. Immer wieder entdeckt man feine, selbstreferenzielle Bezüge zum ersten Teil, so erklärt sich beispielsweise die Anfangsmusik aus dem ersten Teil als völkisches Lied der Northuldra und die Singstimme, die Elsa ruft und zum Ahtohallan-Fluss führt, ist die ihrer verstorbenen Mutter. Die Animation ist faszinierend, so wirkt die Mimik der Charaktere nahezu menschlich, was zum Mitfühlen einlädt. Während der erste Teil im Sommer, den Elsa zunächst in einen ewigen Winter verwandelt, spielt, findet sich der zweite Teil in eine herbstliche Stimmung gehüllt wieder – eine Anspielung auf die Weiterentwicklung der Geschichte?

Nicht nur dramaturgisch ist es naheliegend, dass Schneemann Olaf, Rentier Sven und Annas Freund Kristoff in der Fortsetzung erneut auftreten, sie fungieren auch – neben neuen Freunden – als Identifikationsfiguren für das Publikum. Musikalisch wird der zweite Teil wunderbar durch ein passendes Underscoring und fulminante Ohrwürmer wie Wo noch niemand war oder Zeige dich unterstützt. Der Soundtrack passt sich der Lebenswelt der nun älteren und auch reiferen Figuren an. Die Synchronarbeit ist sehr gelungen, was vor allem für die Gesangseinlagen (Willemijn Verkaik, Hape Kerkeling u. a.) gilt. Die Arbeit der Sprecher*innen und Sänger*innen bestärkt die ergreifende Atmosphäre des Films. Einzig der von Mark Forster interpretierte Endcredit-Song Wo noch niemand war erinnert eher an eine schrammige Garagen-Schulband-Version, die auch trotz der Bemühung von Auto-Tune-Effekten nicht gerettet werden konnte. Panic! At The Disco ist dies im englischen Original mit Into the Unknown besser gelungen.

Anna und Elsa stehen mit Kristoff und Olaf in der kargen Landschaft rund um ArendelleAbb. 2: Anna und Elsa stehen mit Kristoff und Olaf in der kargen Landschaft rund um Arendelle. (c) Walt Disney Animation Studios, 2019.

Die Darstellung der Frauenrollen in Relation zu den männlichen Rollen bietet Diskussionspotenzial. Zugegeben, in der Vergangenheit war es die Frau, die den Mann rettete – Anna und Elsas Mutter Königin Iduna, die dem damals jungen Mann aus Arendelle zur Hilfe eilte – und nicht umgekehrt. Und auch Kristoff gibt sein Solo Verlassen im Wald selbstironisch zum Besten und ist unfreiwillig unbeholfen in Hinblick auf seine Liebste: Im Laufe des Films scheitert er an diversen Versuchen eines Heiratsantrags, da Anna nicht zu begreifen scheint, welches Anliegen ihr Freund hat und sich unbewusst aus den Situationen manövriert. Dennoch ist für Disney – selbst in einer so zeitgemäßen Geschichte und zumindest für Anna – das „einzig wahre Prinzessinnen-Happy End“ unverzichtbar und selbstverständlich werden Anna und Kristoff heiraten.

Fazit

Über allem steht die Motivik der Verbindung und diese mündet in Die Eiskönigin II in einem fantastischen Endbild: Kein Gegeneinander, ein Miteinander. Gemeinschaft und Liebe sind der Konsens. Die Eiskönigin II ist ein gelungener Film, geeignet für Kinder ab 5 Jahren und bietet auch ohne spezielle Vorkenntnisse Unterhaltung für ein breites Publikum.

Titel: Die Eiskönigin II
Regie:
  • Name: Lee, Jennifer
  • Name: Buck, Chris
Originalsprache: Englisch
Drehbuch:
  • Name: Lee, Jennifer
Erscheinungsjahr: 2019
Dauer (Minuten): 103
Altersempfehlung Redaktion: 5 Jahre
FSK: 0 Jahre
Format: Kino
Die Eiskönigin II (Jennifer Lee / Chris Buck, 2019)