Inhalt

Ricky lebt mit seinen Eltern in Herzfeld, einem Dorf, in dem nicht wirklich viel los ist. Um der Langeweile zu entkommen – und um jemanden zu haben, mit dem er Kung Fu trainieren kann –, hat Ricky seinen Phantasiefreund Xi Lao Peng erfunden, dem er berichtet, was alles um ihn herum passiert. Zunächst sind es nur die Querelen, die er mit Micha und dessen Bande hat, und die ihm das Leben schwer machen. Doch zunehmend wird klar, dass es mehr gibt, was Ricky beschäftigt: Der Bruder, der die Schule abgebrochen hat, der Vater, der von Existenzsorgen geplagt wird und die Schreinerei, die in Gefahr ist und vermutlich schließen muss, zu der Ricky aber immer gerne geht und den der drohende Verlust beschäftigt. Als dann Alex nach Herzfeld zieht, erlebt Ricky so etwas wie die erste Liebe: Er bemüht sich, Zeit mit Alex zu verbringen, was wiederum sein Bruder Micha ausnutzt, der selbst ein Auge auf Alex geworfen hat und Ricky nun zu seinem Spion macht: Ricky soll alles über Alex herausfinden und ihm sagen. Im Gegenzug würde Micha ihn auch vor seinen Freunden und vor Raufereien beschützen. Ricky lässt sich zunächst darauf ein, muss aber feststellen, dass er irgendwann nicht mehr spionieren, sondern die Zeit schlichtweg allein mit Alex verbringen will.

Als der Konkurs der Schreinerei immer näher rückt, eskaliert die komplette familiäre Situation: Die Spannungen zwischen Micha und seinem Vater explodieren und Micha kassiert eine Ohrfeige, die ihn dazu bringt, abzuhauen und Alex mitzunehmen, die aus Herzfeld einfach nur weg möchte. Als Micha und Alex einen Unfall haben, kommt Rickys Vater zur Vernunft und im ganzen Unglück erkennt er nun, wo die wahren Talente seiner Kinder liegen: Er erkennt an, dass Ricky Interesse am Schreinern und der Tischlerei zeigt und greift dessen Idee auf, um die Schreinerei zu retten. Gleichzeitig will er aber auch Micha unterstützen bei dessen Wunsch, KfZ-Mechaniker zu werden, nachdem er gesehen hat, dass Micha alleine ein altes Auto repariert und fahrtüchtig gemacht hat.

Kritik

Die ersten Kapitel in Kluges Buch erscheinen zu Beginn der Lektüre etwas lose aneinandergereiht, bis die Verzahnung der einzelnen Geschehnisse ein Ganzes ergibt und der Leser das Geschehen überblicken kann. Fast schon tagebuchartig – knappe Sätze, kurze Gedanken und z.T. umgangssprachlich formulierte Sätze – lässt Kluge seinen Protagonisten autodiegetisch die Geschehnisse berichten, die sich in Herzfeld und in seinem Umfeld zutragen. Dass dabei die Geschehnisse turbulent und komisch und nicht tragisch geschildert werden, kommt der Geschichte zugute, so dass die Sorgen und Probleme durch die Augen eines Kindes gefiltert werden. Was dabei herauskommt, ist eine kindliche Sichtweise auf realexistente Probleme im Leben von Erwachsenen. Dabei überzeugt nicht nur die Geschichte und vor allem die Idee des Phantasiefreundes, der Ricky hilft, die ganze Situation zu durchstehen und dessen Ansprache merklich zum Ende der Geschichte abnimmt, sondern auch die einzelnen Protagonisten sind in sich stimmig angelegt.

Da ist zum einen Ricky, Protagonist der Handlung, der Xi Lao Peng alles berichtet, was um ihn herum passiert. Zum anderen ist da Rickys Bruder Micha, der manchmal im örtlichen Supermarkt klaut, die Schule geschmissen und keine Lust hat, in die elterliche Schreinerei einzusteigen, sondern sich selbst und seine Träume verwirklichen möchte, die sich um Autos und nicht um den Werkstoff Holz drehen. Damit stößt er jedoch den Vater vor den Kopf, der wiederum in Micha die Rettung der Schreinerei sieht. Durch diesen eingeschränkten Blickwinkel übersieht er, dass nicht der älteste Sohn die Schreinerei weiterführen will, sondern dass sein Jüngster, nämlich Ricky, großes Interesse an der Schreinerei hat. Erst spät schleicht sich die Erkenntnis an und damit auch die Unterstützung für den ältesten Sohn, der sich endlich akzeptiert fühlt. Die Mutter bleibt in ihrer Konzeption ein bisschen farblos, obwohl sie als die 'Macherin' etabliert wird und der Kopf hinter dem Unternehmen zu sein scheint, da sie alle Zahlen und Daten im Kopf hat. Sie nimmt zwar ihre Kinder in Schutz, kann aber dem Vater nicht klar machen, dass Micha seinen eigenen Weg gehen muss. Als starke 'Frau' erscheint wiederum Alex, die mit ihrer Mutter, die wiederum mit Theo aus der Schreinerei von Rickys Vater verbandelt ist, nach Herzfeld zieht. Sie verdreht unwissentlich Micha den Kopf und verbringt ihre Zeit lieber mit Ricky, auch wenn sie eigentlich gar nicht in Herzfeld bleiben will: Sie verspürt Sehnsucht nach ihrem unbekannten Vater, der laut ihrer Mutter irgendwo in Argentinien leben soll. Als letzte Figur in Rickys Leben ist Simon relevant, der sich für Ornithologie interessiert und Ricky hilft, als es darauf ankommt, ihm aber auch klar sagt, dass er sich ausgenutzt fühlt und damit Ricky zum Nachdenken bringt.

In ihrer Konzeption und der präsentierten Konstellation erscheinen alle Figuren in sich logisch konstruiert, jede Figur hat ihre Sorgen und Probleme, die den jeweiligen Alltag prägen und die zwischenmenschlichen Kommunikationen und Interaktionen beeinflussen.

Bereichert wird das Buch zudem durch zahlreiche intertextuelle und intermediale Verweise auf diverse (Kampfkunst-)Filme, aber auch die comicartigen und sparsam eingestreuten s/w-Zeichnungen aus der Feder von Ulf K. reichern das Buch zusätzlich an und greifen einzelne Situationen heraus, die im Rahmen der Handlung besonders relevant sind.

Fazit

Kluge ist mit Ich, Xi Lao Peng und die Sache mit meinem Bruder ein Buch gelungen, dessen Figuren ebenso überzeugen wie die Handlung, die sich ergibt aus unterschiedlichen Handlungsmotivationen der Figuren, die alle miteinander zu tun haben. Sich einen Phantasiefreund erfindend, erstarkt Ricky zunehmend und kann so als Identifikationsfigur für Leser ab ca. 10 Jahren fungieren.

Titel: Ich, Xi Lao Peng und die Sache mit meinem Bruder
Autor/-in:
  • Name: Klug, Hannes
Illustrator/-in:
  • Name: Ulf K
Erscheinungsort: Reinbek
Erscheinungsjahr: 2015
Verlag: Rowohlt
ISBN-13: 978-3-499-21420-2
Seitenzahl: 208
Preis: 9,99 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Klug, Hannes: Ich, Xi Lao Peng und die Sache mit meinem Bruder