Im Zentrum der mit detailreichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen und Panels ausgestatteten Erzählung Eva Müllers steht die schmerzliche Geschichte des Bildungsaufstiegs einer jungen Frau aus der Arbeiterklasse in die Welt der Kunstschaffenden. Im leitmotivischen Symbol der Schlange werden die soziale Scham und die Selbstzweifel veranschaulicht, welche die Ich-Erzählerin immer begleiten. Für die Darstellung der verschiedenen Jobs der jugendlichen Ich-Erzählerin findet Müller kraftvolle, starke Bilder: Da wird sie z.B. als Pommes-Verkäuferin im Schwimmbad von Riesen-Fritten regelrecht erschlagen.
So ist die Graphic Novel mit ihren immer auch humorvollen, reflexiven Anteilen zugleich ein herausragendes Beispiel für eine künstlerisch gelungene und treffende Darstellung von Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen in unserer Gesellschaft.


Jurybegründung


Im Zentrum der Graphic Novel zum Thema Klassismus steht die Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau aus einem Arbeitermilieu in die Welt der Kunstschaffenden. Aus der Ich-Perspektive beschreibt die namenlos bleibende Protagonistin ihren Weg aus proletarischen Verhältnissen, hin zu einer selbstbestimmten Lebensweise als Studentin an einer Kunsthochschule und das damit verbundene Wandeln. Diese Entwicklung zwischen den Welten wird sowohl erzähltechnisch mit aussagekräftigen Panels unterstützt als auch durch die mit feinem Strich in schwarz-weiß gehaltenen Illustrationen untermauert. Die Autorin inszeniert sich im Buch bewusst als künstlerische Geschichtenerzählerin und markiert das folgende Geschehen als Fiktion.
Die Protagonistin hat in ihrer Kindheit und Jugend in den 1980er und 1990er Jahren nicht selten Ausgrenzung aufgrund ihrer gefühlten Andersartigkeit erlebt. Ihre Sozialisation ist von Sparsamkeit geprägt; Zugänge zu Bildungsmöglichkeiten z. B. über die Literatur sind kaum gegeben und die Kleidung stigmatisiert sie ob ihrer Herkunft. Das Bewusstsein für diese nicht nur materiellen Beschränkungen ist früh angelegt. In der Erzählung werden die Selbstzweifel in Form einer Schlange symbolisiert. Sie flüstert der Hauptfigur immer wieder Scham und Versagensängste ein, wodurch eine Analogie zum Sündenfall evoziert werden kann.
So fragt das Buch nach dem WIE der persönlichen Entfaltung: Inwiefern die gesellschaftlichen Gegebenheiten diese Prozesse begrenzen können, deuten mit ironischem Unterton Zwischenkapitel an, die Karl Marx quasi als Hipster auftreten lassen, der die heutige Gesellschaft kritisch kommentiert.

Zur Preisträgerin


Eva Müller (Jahrgang 1981) hat Sozialarbeit in Koblenz und Illustration in Hamburg studiert. Seit 2016 arbeitet sie als freischaffende Künstlerin, Illustratorin und Autorin in Hamburg. Ihre Monopgraphien wurden u.a. mit dem Leibinger Comicbuchpreis oder beim Japan Media Arts Festival ausgezeichnet.

Weitere Informationen finden Sie hier.

[Quelle: Pressemitteilung]