Trisch, Jahrgang 1934 und selbst im Kinderheim aufgewachsen, kommt nach ihrer Zeit als Berufsanfängerin bei der Pionierzeitung „Frösi“ zum Fernsehen – wo sie immer hin wollte (vgl. „Auf Sendung – das Erste deutsche Fernsehen in Berlin-Adlershof“ 0:31). Dort etabliert sie mit dem Meister Nadelöhr eine historische Figur des deutschsprachigen Kinderfernsehens und setzt diesem in einer Weihnachtssendung den kleinen Kobold Pittiplatsch zur Seite. Dieser Pittiplatsch erweist sich als anarchistischer Gegenentwurf zum pädagogischen DDR-Fernsehen, der in schönster Selbstverständlichkeit in die Kinderzimmer der DDR kommen durfte. Vielleicht war seine Lust am Anderssein, am Gegen-den-Strom-schwimmen so liebevoll, dass sein systemkolportierender Charakter nicht erkannt wurde, vielleicht rechnete man sich eine Zurückweisung desselben durch die brave Begleiterin Schnatterinchen aus, von der Trisch in o.g. Sendung sagt, dass sie soooo lieb gewesen sei, dass man daran einschlafen konnte (03:07-03:24). Auf jeden Fall hat Inge Trisch mit Pitti eine Kinderfigur geschaffen, die wie kaum eine andere mit dem DDR-Kinderfernsehen zusammengedacht wird, und doch gleichzeitig den pädagogischen Auftrag desselben dauerhaft unterhöhlte.

Die Autorin und Dramaturgin kann sich beim Kinderfernsehen „Narrenfreiheit“ (ebd. 1:21) erlauben, schickt ihren Kobold los, um „erst mal uffzuräumen“ (ebd. 03:32) und platziert mit der Kindersendung „Ellentie“ ein Konkurrenzprogramm zur Sendung „Pioniernachmittag“, der zur gleichen Zeit im Nachbarkanal läuft, und dem damit noch mehr Publikum entzogen wurde. Ihren Meister Nadelöhr schickt sie in andere Länder und ist von diesen Reisen nachhaltig beeindruckt (eb.. 5:00-5:34). Diese selbstverständliche „Internationalität“ charakterisiert auch das Sandmännchen – Der Abendgruß, für den Trisch verantwortlich war. Denn dieser kommt nicht nur mit allen denkbaren Fahrzeugen im Vorspann in die Wohnzimmer der Kinder, sondern auch aus allen Herren Ländern – inklusive des Weltraums.

Inge Trisch war keine Oppositionelle, die Wende brachte auch für sie die Arbeitslosigkeit und die Geschichte, wie der Sandmann in einer Nacht- und Nebelaktion als Konkurrenz zum West-Sandmännchen entwickelt wurde, erzählt sie im Interview mit Schalk und Freude. Aber ihre Lust am Fernsehen und ihre Freude an einer frechen Weltaneignung, die Normvorstellungen unterläuft, haben in ihren Figuren und Programmen Spuren hinterlassen. Spuren, die im Spiel mit den Regeln heimlich hinter den Figuren hervorblitzen. Oder wie Pitti sagen würde: „Platschquatsch, das kannste glauben!“

Inge Tritsch starb am 12.11.2023 im Alter von 89 Jahren in Berlin.

Medienverzeichnis

OK Projekt. Filme zu Ausstellungen: Auf Sendung – das Erste deutsche Fernsehen in Berlin-Adlershof.  14.12.2022. https://www.youtube.com/watch?v=Lp0-QXPRqYM [Inge Trisch im Interview.]