Titel des Projekts/Title: Sterben, Tod und Trauer im Bilderbuch seit 1945

VerfasserIn/Author: Dr. Margarete Hopp (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.)

Sprache/Language: Deutsch

Art des Projekts/Type: Dissertation

Projektlaufzeit/Duration: 2009-2015

Universität/University: Universität Bielefeld

Keywords: Bilderbuchtheorie, Thanatopsychologie, Kindertod, psychologisches Bilderbuch, narratologisches Modell der Bilderbuchanalyse

Veröffentlicht unter/Published as: Sterben, Tod und Trauer im Bilderbuch seit 1945. Frankfurt am Main: Peter Lang, 2015 (=Kinder- und Jugendkultur, -literatur und -medien; 100).

 

Beschreibung/abstract:

Noch bis ins 20. Jahrhundert hatten Sterbeprozesse, Todesfälle und Trauerrituale in der abendländischen Gesellschaft ihren selbstverständlichen Platz im Leben, mit zunehmender Säkularisierung aber haben sie ihre Bedeutung als kollektive Erlebnisse mehr und mehr, auch und besonders für Kinder, verloren. Und je weniger davon sich im Alltäglichen zeigt, desto mehr scheint das Bedürfnis zu wachsen, sich literarisch damit auseinanderzusetzen. Da sich auch der Bilderbuchsektor wie insgesamt die Kinder- und Jugendliteratur in vielfältiger Weise diesem Themenfeld geöffnet hat – was schon allein die Nominierungs- und Preisträgerlisten des Deutschen Jugendliteraturpreises belegen –, stellte sich die Frage nach dem Umfang und den einschlägigen Darstellungskonzepten des Bilderbuchs im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert.
Das Dissertationsprojekt bildet in historischer und gattungstheoretischer Perspektive die Entwicklung der thematisch einschlägigen deutschsprachigen (bzw. ins Deutsche übersetzten) Bilderbücher aus mehr als sechs Jahrzenten nach. Für die im Ansatz interdisziplinäre und systematische, literaturwissenschaftlich begründete Erschließung des Textkorpus‘ von 287 Titeln (1945-2011) kommt das eigens entwickelte narratologische Modell der Bilderbuchanalyse zur Anwendung, anhand dessen ein breites Spektrum von Motiven in realistischen und phantastischen, religiösen und philosophischen Darstellungskonzepten aufgefächert wird.
Zentrale Forschungsfragen sind u. a., welche motivischen Schwerpunkte und Entwicklungslinien nachweisbar sind, wie nah kindliche Protagonisten an die Geschehnisse und Rituale rund um Sterben und Trauer herangelassen werden, welche Rolle Religiosität spielt, wie mit dem kindlichen Bedürfnis nach Erklärungs- und Trostbildern umgegangen wird und letztlich auch (mit Bezugnahme auf Erkenntnisse der Thanatopsychologie), inwieweit Bilderbücher einen Beitrag zur Ausbildung eines altersgerechten bzw. reifen Todeskonzepts, d. h. eines Verständnisses vom Tod und seiner Determinanten leisten können.
Ergebnisse: Der kinderliterarische Paradigmenwechsel zu Beginn der 1970er-Jahre mit seinen damit einhergehenden thematischen Tabubrüchen hat im Bilderbuch zum Thema Tod bis in die 1980er-Jahre auf sich warten lassen. Bis dahin war das Sterben von Menschen und Tieren ein seltenes und mehr marginales Motiv, eingebunden in sachinformierende oder märchenhafte Kontexte. Erst in den Erzählkonzepten seit etwa Mitte der 1980er-Jahre spielt die Psychologie des Sterbens und Trauerns vereinzelt eine Rolle, insbesondere zum Sterben im Kindesalter erst ab 1997 (Stark/ Höglund: Meine Schwester ist ein Engel). Eine Ausnahme und ein Indiz für die Vorreiterrolle der skandinavischen Literatur stellt dabei Abschied von Rune (Kaldhol/ Øyen 1987) dar, welches für die Anfänge des psychologisierten Erzählens vom Tod im Kindesalter steht und heute Klassikerstatus hat. Insgesamt zeigen sich die Erzählkonzepte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Dissertation facettenreich wie nie. Sie bieten die Gelegenheit zur Auseinandersetzung mit (existenziellen) Fragen von Kindern, sie geben informative Hinweise auf biologische Zusammenhänge, präsentieren religiöse und säkularisierte Konzepte und zeigen verschiedene kommunikative Umgangsformen mit Tod und Trauer auf. Gleichzeitig zeigt sich eine seit den 1990er-Jahren zunehmende Nähe zur Lebensrealität von Kindern, die sehr deutlich auch die primäre Betroffenheit von Kindern erfasst. Hervorzuheben sind dabei drei motivische Spezifika in den Bilderbüchern über den Tod eines Kindes: die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit aus der Perspektive eines Kindes, kindliche Trauerprozesse nach dem Verlust eines befreundeten Kindes oder eines Geschwisters und die gewaltsamen Ursachen für das Sterben von Kindern. In Analogie zum psychologischen Kinderroman kann deshalb vom psychologischen Bilderbuch seit den 1990er Jahren gesprochen werden.

 

Dying processes, deaths and mourning rituals still had their natural place in life in Western society up until the 20th century, but with increasing secularization they have increasingly lost their significance as collective experiences, also and especially for children. And the less of it shows up in everyday life, the more the need to deal with it in literature seems to grow. Since the picture book sector, like children's and young adult literature in general, has opened up to this subject area in a variety of ways – as the lists of nominations and winners of the German Young Adult Literature Prize alone prove – the question arose as to the scope and the relevant presentation concepts of the picture book in the 20th century and early 21st century.
The dissertation project reproduces the development of the thematically relevant German-language (or translated into German) picture books from more than six decades from a historical and genre-theoretical perspective. The specially developed narratological model of picture book analysis is used for the interdisciplinary and systematic, literary-scientifically based development of the text corpus of 287 titles is fanned out.
Central research questions are, among other things, which motivic focuses and lines of development can be proven, how close child protagonists are allowed to the events and rituals surrounding death and mourning, what role religiosity plays, how the child's need for explanatory and consoling images is dealt with and ultimately also (with reference to the findings of thanatopsychology), to what extent picture books contribute to the development of an age-appropriate or mature concept of death, that means of an understanding of death and its determinants.
Results: The paradigm shift in children's literature at the beginning of the 1970s, with the thematic taboos that went with it, was a long time coming in picture books on the subject of death until the 1980s. Until then, the dying of people and animals was a rare and more marginal motif, integrated into factual information or fairytale contexts. The psychology of dying and mourning has only occasionally played a role in the narrative concepts since the mid-1980s, especially with regard to dying in childhood only from 1997 (Stark/ Höglund: Meine Schwester ist ein Engel). An exception and an indication of the pioneering role of Scandinavian literature is Abschied von Rune (Kaldhol/ Øyen 1987), which stands for the beginnings of the psychologized narrative of death in childhood and has classic status today. Overall, the narrative concepts at the time of publication of the dissertation are more multifaceted than ever. They offer the opportunity to deal with (existential) questions from children, they provide informative information on biological connections, present religious and secularized concepts and show different communicative forms of dealing with death and grief. At the same time, since the 1990s, there has been an increasing proximity to the reality of children's lives, which very clearly also captures the primary concern of children. Three specific motifs in the picture books about the death of a child should be emphasized: the confrontation with one's own mortality from the perspective of a child, childlike grieving processes after the loss of a friend's child or a sibling and the violent causes for the death of children. In analogy to the psychological children's novel, one can therefore speak of the psychological picture book since the 1990s.

 

Biographische Informationen/CV:

Margarete Hopp hat das Lehramt an Grundschulen studiert und mit dem 1. Staatsexamen an der Universität Duisburg-Essen abgeschlossen. 2015 wurde sie an der Universität Bielefeld promoviert zum Thema "Sterben, Tod und Trauer im Bilderbuch seit 1945". Seit 2007 lehrt sie als Lehrkraft für besondere Aufgaben an der Universität Duisburg-Essen im Institut für Germanistik/ Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik in der Lehrerausbildung, 2014-2016 in derselben Funktion auch an der Universität Bielefeld. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der Literaturdidaktik, insbesondere der Kinder- und Jugendliteratur.

 

Weitere Informationen/Additional information:

Margarete Hopps Internetseite an der Universität Duisburg-Essen