Allgemeines

Die Biene Maja und ihre Abenteuer (abgekürzt Biene Maja) ist das erfolgreichste Buch des Autors Waldemar Bonsels (1880-1952) und erschien 1912 mit dem Untertitel Ein Roman für Kinder. Der Untertitel fiel in späteren Auflagen weg. Die Biene Maja und ihre Abenteuer ist nahezu das einzige Werk des Autors, das er nicht für Erwachsene, sondern für Erwachsene und Kinder schreibt. Das Buch zählt zu den Kinderbuchklassikern. Die Adaption als Zeichentrickserie unter dem Titel Die Biene Maja, die in zwei Staffeln mit jeweils 52 Episoden und einer Episodenlänge von durchschnittlich 24 Minuten von 1976-1977 (erste Staffel) und 1979-1980 (zweite Staffel) erstmals im Kinderfernsehen des ZDF ausgestrahlt und von einer Vielzahl von Merchandising-Produkten begleitet wurde, überstieg den Erfolg und die Verbreitung des Buches um ein Vielfaches. Eine neue, Computer generierte Biene-Maja-Serie mit 78 Episoden und einer Episodenlänge von durchschnittlich 12 Minuten wurde 2012 in Frankreich (TF1) und weiteren europäischen Ländern, 2013 in Deutschland (ZDF und KiKa) erstmals ausgestrahlt.

Handlung

Die Biene Maja und ihre Abenteuer ist ein Entwicklungsroman, in dem die innere Wandlung der Biene Maja erzählt wird. Als sie das erste Mal den Bienenstock verlässt und die Schönheiten der Welt sieht, entschließt sich die eigenwillige Maja, der Enge und der Gemeinschaft des Bienenstocks und dem eintönigen Leben einer gewöhnlichen Bienenarbeiterin zu entfliehen, um die Welt kennenzulernen und Abenteuer zu erleben. Majas Abenteuer außerhalb des Bienenstocks bestehen häufig darin, dass sie anderen Insekten begegnet und mit deren Ansichten und Gewohnheiten konfrontiert wird. In diesen Begegnungen zeigen sich sowohl das Anderssein, als auch die Unerfahrenheit und die Unreife Majas. Auch in gefährlichen Situationen, wie beispielsweise im Netz der Spinne Thekla (siebtes Kapitel), verhält sich Maja unerfahren und naiv. Der märchenhafte Blumenelf (zehntes und elftes Kapitel) ermöglicht Maja die Realisierung ihres großen Wunsches, den Menschen zu sehen. Der Blumenelf zeigt ihr die Menschen so, wie sie am schönsten sind, als Liebespaar. Mit der Erfüllung dieses Wunsches, der Maja schon im ersten Kapitel von ihrer Lehrerin Kassandra ans Herz gelegt wird und auf den Maja in vielen ihrer Begegnungen mit Insekten zu sprechen kommt, hat sie ihr Sehnsuchtsziel erreicht. In den anschließenden Begegnungen und Abenteuern zeigt sich Majas Entwicklungsfortschritt. Aus der naiven und unerfahrenen ist eine vernünftige und erfahrene Biene geworden. Die Bewährungsprobe für den erfolgreichen Entwicklungsprozesses ist Majas Gefangennahme durch eine Hornisse, Majas Flucht aus der Hornissenburg und die Warnung ihres heimatlichen Bienenstockes vor dem Angriff der Hornissen. In dieser Episode, die in den letzten Kapiteln (dreizehn bis siebzehn) des Buches erzählt wird, verhält sich Maja wie eine kluge Biene. Die kluge Biene stellt das Gemeinschaftsinteresse über das Eigeninteresse. Am Ende ihres Entwicklungsprozesses hat Maja zudem das für sie angemessene Bienenleben gefunden, das darin besteht, mit der Bienengemeinschaft für die Bienengemeinschaft zu leben. In der Begegnung mit anderen Insekten hat sie die Vielseitigkeit der Welt und ihrer Geschöpfe kennen und respektieren gelernt, aber auch die Unterschiede und Missverständnisse zwischen ihr als Biene und den anderen Insekten erkannt. Durch Majas Warnung kann der Angriff der Hornissen erfolgreich abgewehrt werden. Maja bleibt bei ihrem Bienenvolk und wird aufgrund ihrer außergewöhnlichen Erfahrungen zur Beraterin der Königin ernannt.

Populärrezeption

Die im Herbst 1912 erschienene Erstauflage und auch spätere Auflagen wurden in vielen Tageszeiten besprochen, mit durchgängig positivem Urteil. Das Buch "wird Feinschmeckern und der Masse gefallen", heißt es in der Neuen Freie Presse (Wien) am 24.11.1912. "Ein eigenartige kleines Meisterwerk", schreibt der Hamburgischer Correspondent am 19.12.1912. Die Biene Maja gehört "zu dem Besten […], das für die Kinderwelt je geschrieben worden ist" (Die Zeit, Wien, 07.12.1913) und "sollte in allen Schulen gelesen werden" (Saale-Zeitung, Halle an der Saale, 23.09.1913). Gelobt wird an diesem Buch die "geschickte Erfindung, flotte Charakterisierung, lebhafte, witzige Dialogführung in den knappen dramatisch wirkenden Szenen und die Kunst, über ganz Alltägliches eine Fülle von Poesie mit harmonisch heiterer Stimmung auszugießen" (Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 13.12.1912). Dass dieses Buch dem Bereich des mehrfachadressierten Crosswriting zugerechnet werden kann (Kümmerling-Meibauer 2014), zeigt sich bereits in den ersten Rezensionen, wenn es darin heißt: Die Biene Maja "ist ein Roman für Kinder: doch nicht nur für Kinder. Sondern auch für uns große Kinder" (Berliner Börsen-Courier, Berlin, 03.08.1913). Kinder und Erwachsene werden von jeweils anderen Elementen des vielschichtigen Textes angesprochen. Im Buch finden sich"liebenswürdige Poesie, warme Empfindung, frischer Humor und eine dem kindlichen Leser verborgen bleibende, aber umso eindringlicher wirkende Moral" (Vossische Zeitung, Berlin, 20.12.1912).

Schon in der Verlagsanzeige für die Erstausgabe wird auf die Verwandtschaft der Biene Maja mit den Märchen der Brüder Grimm und von Hans Christian Andersen hingewiesen. Auch viele Rezensenten schreiben über das Märchenhafte dieses Buches. Das Überzeitlich-Märchenhafte ist auch ein Grund für den lang währenden Erfolg der Biene Maja. Ab 1917, ungewöhnlich lange nach Erscheinen des Buches, steigt der Verkauf rasant. Von 1917 bis 1922 wächst die Zahl der gedruckten Bücher von 22.000 auf über 500.000. Das Buch wird in andere Sprachen übersetzt und auch außerhalb des deutschen Sprachraums erfolgreich. Beginnend mit den 1930er Jahren werden die Neuauflagen seltener und steigen erst wieder, wenn auch nur wenig und nicht sehr lange, mit der Ausstrahlung der Fernsehserie ab 1976. Ohne die permanente Präsenz der Biene Maja auf dem Buchmarkt, ohne deren 'Klassiker'-Status (der dem Buch jedoch möglicherweise erst aufgrund des Erfolgs der Zeichentrickserie zugeschrieben werden konnte) wäre kaum jemand auf die Idee gekommen, aus der Biene Maja eine Zeichentrickserie zu machen. Dabei bot sich auch die episodenhafte Struktur des Buches für eine Umsetzung als Serie an. Die im Kinderfernsehen ausgestrahlte Serie und die zur Serie verkauften Biene-Maja-Produkte (Hörspiele, Comichefte, Malhefte, Spiele, …) führte zu einer Adressatenverschiebung von den Erwachsenen und Kindern (beim Buch) zu den Kindern (bei der Serie und den Merchandising-Produkten). Bekannt und populär ist seit der Zeichentrickserie die Zeichentrick-Maja, nicht die Maja der Buchvorlage. Auch die ab 2012 ausgestrahlte CGI (Computer generated images)-Serie basiert nicht auf der Buchvorlage, sondern auf der Zeichentrickserie und deren Figuren. Die illustrierte Buch-Ausgabe der Biene Maja von 2012 enthält nicht mehr den Originaltext von Bonsels, sondern eine gekürzte und sprachlich veränderte Fassung. Verena Körting gelingt es in dieser Ausgabe, mit ihren Illustrationen, die Menschenhaftigkeit der Figuren in naturnahen Insektenkörpern darzustellen. Für den von Frauke Nahrgang bearbeiteten Text fällt das Urteil negativ aus: "'Die Biene Maja' ist ein bezauberndes Buch – doch was bleibt davon übrig, wenn es in einem Ausmaß bearbeitet und gekürzt ist, das an Verstümmelung grenzt?" (Amazon-Leserrezension, 05.08.2013).

Wissenschaftliche Rezeption

Werke der populären Literatur und Kinderbücher waren zur Zeit der Veröffentlichung des Buches Die Biene Maja und ihre Abenteuer kaum von wissenschaftlichem Interesse. Die erste wissenschaftliche Arbeit, die sich mit der Biene Maja beschäftigt, ist Gertrud Poppers Dissertation Der neue deutsche Tierroman. Für das nie gedruckte Werk ist die Biene Maja nur Exempel, nicht Thema. Popper interpretiert die letzten Kapitel des Buches als Hingabe des Individuums an Führer und Volk. Diese ideologische Interpretation des Buches findet sich in der Forschungsliteratur und in den journalistischen Texten immer wieder, zuletzt in der medialen Berichterstattung zum hundertsten Geburtstag des Buches 2012 und in Karl Daumers Aufsatz Die Biene Maja aus biowissenschaftlicher Sicht. Nach Daumer wird der Bienenstaat in der Biene Maja verherrlicht "im Trend der Wilhelminischen Zeit monarchisch-imperialistisch, national-martialisch ja sogar mit einer sozialdarwinistisch getönten, rassistischen Tendenz" (Daumer 2012, S. 65). Nur wenige dieser ideologischen Interpretationen basieren auf einer gründlichen Analyse des Buches und ihres Kontextes. Abgesehen von Einträgen in Literaturlexika erwacht erst mit der Ausstrahlung der Zeichentrickserie das wissenschaftliche Interesse an der Biene Maja, zunächst an der Zeichentrickserie, dann auch an der Buchvorlage. Es sind zuerst Erziehungswissenschaftler bzw. Kunsterzieher wie Jens Thiele, Gundula Kraskiewicz, Heinz Hengst und Jan-Uwe Rogge, die sich unter pädagogischen und ästhetischen Fragestellungen hauptsächlich mit der Biene Maja Zeichentrickserie beschäftigen. Die Biene-Maja-Zeichentrickserie und andere Kinderserien im selben Format werden als Kommerzialisierung des Kinderzimmers beurteilt. Die Kritik richtet sich grundsätzlich gegen den kommerziellen Medienverbund der 1970er Jahre. Im Vergleich zur pädagogisch wenig wertvollen Serie fällt das Urteil über das Buch Die Biene Maja und ihre Abenteuer positiv aus. Anders bei Kinderliteraturforschern wie Malte Dahrendorf, Klaus Doderer und Reiner Wild, die das Buch ideologisch interpretierten, wie schon Popper 1934. "Opfer- und Todesbereitschaft" (Dahrendorf 1980, S. 187) im Dienste des obrigkeitlichen Staates ist für diese Autoren allerdings kein positiver Wert wie für Popper in den 1930er Jahren. Helga Karrenbrock weist mit Recht darauf hin, dass sich das Buch nicht auf diesen einen Aspekt reduzieren lasse. Die Biene Maja steht auch für den "Traum vom Ausbrechen" (Karrenbrock 1995, S. 56) und ist "die gängige bildungsbürgerliche Antwort auf die Modernisierungsschocks des Maschinenzeitalters" (Karrenbrock 1995, S. 51). Karrenbrock (1999) kommt bei der Analyse des literarischen Kontextes des Buches zu dem Ergebnis, dass die Biene Maja Analogien zur Mädchen- und Backfischliteratur des 19. Jahrhunderts aufweist. Kümmerling-Meibauer deckt die unterschiedlichen literarischen Traditionen auf, die sich im Buch nachweisen lassen, und kommt zu dem Ergebnis, dass es Bonsels mit der Biene Maja gelungen ist, "Insekten als Handlungsträger in Kinderbüchern salonfähig zu machen" (Kümmerling-Meibauer 2014, S. 60). Mit Der Flug der Biene Maja durch die Welt der Medien erscheint 2012 die erste Monographie zum Thema Biene Maja. Unter erzähltheoretischer Perspektive werden das Buch, die Zeichentrickserie und weitere Adaptionen untersucht und miteinander verglichen. Den vielen Facetten des Buches und seiner Adaptionen widmen sich die Autoren des 2014 erschienenen Buches 100 Jahre Biene Maja – Vom Kinderbuch zum Kassenschlager.

 Literatur

  • Daumer, Karl: Die Biene Maja aus biowissenschaftlicher Sicht. In: Waldemar Bonsels. Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers. Hrsg. von Sven Hanuschek. Wiesbaden: Harrassowitz, 2012 (= Buchwissenschaftliche Beiträge; 82). S. 57-66.

  • Hanuschek, Sven: "In einem unbekannten Land / Vor gar nicht allzu langer Zeit". Waldemar Bonsels' Literatur und die Folgen: Skizze eines Forschungsprogramms. In: Quo vadis Kinderbuch? Gegenwart und Zukunft der Literatur für junge Leser. Hrsg. von Christine Haug und Anke Vogel. Wiesbaden: Harrassowitz, 2011 (= Buchwissenschaftliche Forschungen; 10). S. 193-205.

  • Karrenbrock, Helga: Märchenkinder-Zeitgenossen. Untersuchungen zur Kinderliteratur der Weimarer Republik. Osnabrücker Diss. Stuttgart: M & P, 1995.

  • Karrenbrock, Helga: Tagträume und Kinderwünsche. Die Biene Maja und ihre mannigfaltigen Brüder und Schwestern. In Die Zoologie der Träume. Studien zum Tiermotiv in der Literatur der Moderne. Hrsg. von Dorothee Römhild. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1999, 152-169.

  • Kraskiewicz, Gundula: 'Biene Maja' oder Seltsame Wandlungen eines Kinderbuches. Zum Thema 'Buch und Fernsehen'. In: Monatshefte für die Unterrichtspraxis, 46 (1978). S. 582-588.

  • Kümmerling-Meibauer: Nicht nur ein "Märchen für Kinder". Die Biene Maja als Crossover Literatur. In: 100 Jahre Biene Maja. Vom Kinderbuch zum Kassenschlager. Hrsg. von Harald Weiß. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014 (= Studien zur europäischen Kinder- und Jugendliteratur; 1). S. 45-63.

  • Müller, Lothar: Die Biene Maja von Waldemar Bonsels. In: Wehrwolf und Biene Maja. Der deutsche Bücherschrank zwischen den Weltkriegen. Hrsg. von Marianne Weil. Berlin: Verlag Ästhetik und Kommunikation, 1986. S. 56-75.

  • Popper, Gertrud: Der neue deutsche Tierroman. Wiener Diss. 1934.

  • Thiele, Jens: Trickfilm-Serien im Fernsehen. Eine Untersuchung zur Didaktik der Ästhetischen Erziehung. Oldenburg: Isensee, 1981.

  • Weiß, Harald: Der Flug der Biene Maja durch die Welt der Medien. Buch, Film, Hörspiel und Zeichentrickserie. Tübinger Diss. Wiesbaden: Harrassowitz, 2012 (= Buchwissenschaftliche Beiträge; 83).

  • Wrobel, Dieter: Vergessene Texte wiedergelesen. Waldemar Bonsels: Die Biene Maja und ihre Abenteuer. In: Literatur im Unterricht 3 (2006). S. 243-256.

  • 100 Jahre Biene Maja. Vom Kinderbuch zum Kassenschlager. Hrsg. von Harald Weiß. Heidelberg: Universitätsverlag Winter, 2014 (= Studien zur europäischen Kinder- und Jugendliteratur; 1).