Inhalt

Freak erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichenFreundschaft zwischen dem riesigen Förderschüler Maxwell und dem kleinwüchsigen, hochbegabten Kevin. Als der wie ein Freak wirkende Kevin ins Nachbarhaus einzieht und ihn mit den Worten "Identifiziere dich, Erdling!" begrüßt, ist der geistig zurückgebliebene Max, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, zunächst befremdet.

Doch die anfängliche Skepsis weicht schnell, und zwischen den beiden Jungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, entwickelt sich eine tiefe, liebevolle Freundschaft. Wenn Max Kevin auf den Schultern trägt, verschmelzen sie zu dem unschlagbaren "Freak, der Starke", der wie ein Ritter aus der Artussage, dem Lieblingsbuch des belesenen Kevins, Abenteuer besteht und gegen das Böse kämpft. In dieser Konstellation leiht Max Kevin seine Beine und dieser umgekehrt ihm sein Gehirn, zumal er ihm das Lesen beibringt und ihn in der Schule unterstützt, nachdem Max die Förderklasse verlassen durfte. So sind die beiden Achtklässler ein unschlagbares Team, das sich gegen Jugendgangs zur Wehr setzen kann und gemeinsam durch Dick und Dünn geht.

Dramatisch spitzt es sich zu, als Max in der Buchmitte von seinem Vater entführt wird, der plötzlich aus dem Gefängnis entlassen wird, wo er eine Haftstrafe wegen Mordes an Maxwells Mutter verbüßte, was der Grund ist, warum der Ich-Erzähler bei seinen Großeltern aufwächst, die er Gram und Grim nennt. Kevin befreit ihn aus dieser brenzligen Lage und sorgt so dafür, dass der Vater, Killer Kane genannt, zurück ins Gefängnis muss.

Der Jugendroman nimmt an dieser Stelle aber kein glückliches Ende, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern endet mit dem Tode Kevins, der nach nur einem Jahr Freundschaft mit Max, an den Folgen seiner Krankheit stirbt. Für Max bricht eine Welt zusammen, und doch nimmt er die Aufforderung Kevins an, die gemeinsam als "Freak der Starke" erlebten Abenteuer aufzuschreiben, womit er seine Schreibblockaden überwindet und das Buch verfasst, das der Leser in den Händen hält. Auf diese Weise scheint am Ende eine Hoffnungsperspektive für Max' weiteres Leben auf.

Analyse und Wissenschaftliche Rezeption

Es handelt sich bei Freak um einen realistischen, problemorientierten Jugendroman, der Züge einer Kriminalgeschichte trägt. Vorgetragen wird die Geschichte von dem homodiegetischen Ich-Erzähler (vgl. Gansel 2010, S. 70ff.), der Leser erhält ausschließlich Einblick in die Perspektive des Protagonisten Max.

Auch in sprachlicher Hinsicht ist der Roman an die Sicht seines jugendlichen Erzählers angepasst: Er enthält viele umgangssprachliche Ausdrücke und ist in Jugendsprache verfasst (z. B. "Mann, diese Krücken waren cool", S. 8 "mann, hey, irre, Maxwell, würg", S. 9). Das erzählerische Ich erinnert sich rückblickend an die Erlebnisse mit seinem Freund Kevin, er berichtet von einem Jahr Freundschaft bis zum Tod des Freundes, wobei der Roman mit einem Rückblick auf die Kindergarten – Zeit einsetzt, welche die Protagonisten bereits zusammen verbrachten. Der Ich-Erzähler bedient sich in seinem Bericht direkter Leseransprachen (z. B. Passt ihr auch gut auf?, S. 10), wodurch Nähe zur mündlichen Erzählsituation erzeugt wird und beim Leser Gefühle der Empathie mit dem Protagonisten entstehen.

Thematisch geht es im Roman um folgende Aspekte: Freundschaft, Behinderung/Krankheit, Entlassung eines Straftäters/Kriminalgeschichte (damit verbunden die Vaterbeziehung von Max) und die Artussage.

Freundschaft

Obwohl Max und Kevin so unterschiedlich sind, sind sie sich von Anfang an auf ungeklärte, unterbewusste Weise sympathisch. So hat Max im Kindergarten alle Kinder getreten, "den kleinen Freak" aber nicht (S. 8). Zwar ist Kevin Max zunächst zutiefst suspekt, als er ins Nachbarhaus einzieht und fühlt sich von ihm bedroht (S. 15), doch schnell finden sie Zugang zueinander und Max stellt fest, wie gerne er Kevin beim Reden zuhört (S. 25). Es geschieht eine Annäherung, die von Maxwells Großmutter Gram rasch als Freundschaft bezeichnet wird (S.31). Für Max wird die Bedeutung der neu gewonnen Freundschaft spürbar, als er von Kevin und seiner Mutter zum Essen eingeladen wird: Danach heult er wie ein kleines Kind (S. 35). Als Max Kevin auf die Schulten nimmt, damit dieser beim Feuerwerk mehr sehen kann (S. 41) ist die tiefe, besondere Freundschaft besiegelt: Sie werden `Freak der Starke` und verschmelzen zu einer symbiotischen Einheit, körperliche und intellektuelle Stärke verbinden sich und stützen einander.

Erster Höhepunkt der neu entstandenen Freundschaft ist der gemeinsame Sieg über Klinge und seine Bande, die die beiden außergewöhnlichen Jungen bedrohen und verfolgen (S. 44ff.). Von da an stabilisiert sich die Beziehung rasch, die symbiotische Einheit `Freak der Starke` etabliert sich und bietet Kevin und Max gleichermaßen Schutz, was der Ich – Erzähler mit folgenden Worten zusammenfasst: `Freak reitet auf meinen Schultern wie er es jetzt fast immer macht. Auf diese Weise braucht er sich nicht mit der Beinschiene oder den Krücken abzuschleppen, und mir selbst gefällt es auch, über meinem eigenen einen so richtig klugen Kopf zu haben, der mir beim Denken hilft `(S. 74).

Die gemeinsame Stärke wird auch nach außen demonstriert: Zusammen in einer Klasse strahlen sie durch die symbiotische Einheit eine solche Kraft und Faszination aus, dass ihnen die Schulkameraden plötzlich zujubeln, obwohl sie gar nicht wissen, was Kevin meint, als Kevin die Einheit `Freak der Starke` mit Rekurs auf die Artussage beschreibt: `Manchmal sind wir drei Meter groß und stark genug, durch Wände zu gehen. Manchmal kämpfen wir gegen Banden. Manchmal finden wir Schätze. Manchmal töten wir Drachen und trinken aus dem Heiligen Gral `(S. 89).

Max bekommt von Kevin so starke Unterstützung in der Schule, dass es keine Rolle mehr spielt, ob er die Antwort weiß, da sein Freund sie ihm sagen kann, und der erklärt viel besser als Mrs Donelli (S. 92). Kevin hilft Max auf diese Weise, seine eigentlich vorhandene Intelligenz zu aktivieren. Er kann nun sein Zimmer im Keller, dass er Unterwelt nennt (S. 11) verlassen. Umgekehrt leiht Max Kevin seine Beine und verhilft ihm so zu mehr Bewegungsfreiheit.

Eine Zäsur erfährt die Geschichte, als beide Protagonisten aus unterschiedlichen Gründen zusammenbrechen, Kevin aufgrund seiner Krankheit und Max, als er hört, dass sein Vater aus dem Gefängnis entlassen wurde (S. 96ff.) Durch die Belastungen fühlen sie sich noch enger verbunden. Die Freundschaft ist auf ihrem Höhepunkt angelangt, als Kevin Max vor seinem Vater rettet (S. 149), auch hier hat `Freak der Starke wieder zugeschlagen` (ebd.).

Einmal macht die Großmutter Gram den vorsichtigen Versuch, die Symbiose aufzulösen, indem sie meint, Max habe `doch selber ein Gehirn` (S. 154), was vom Ich-Erzähler jedoch zurückgewiesen wird. Vielmehr sind sie nach der Heldentat, der Befreiung des entführten Max, auch öffentlich und in der Schule `das dynamische Duo`(S. 154).

Nach einjähriger symbiotischer Verbindung kommt die Freundschaft durch den Tod Kevins an ein jähes Ende.

Behinderung/Krankheit

Kevins Krankheit wird an keiner Stelle im Roman genau definiert. Der Leser erfährt lediglich, dass er Schwierigkeiten beim Atmen hat, `weil sein Inneres irgendwie schneller wächst als sein Äußeres, das eigentlich noch überhaupt nicht gewachsen ist` (S. 153). Körperlich ist er entwickelt wie ein Kleinkind, `er krabbelt richtig gut, besser als er geht (S. 18), man könnte ihn glatt für einen Zweijährigen halten` (S. 33). Kevin hadert nicht öffentlich mit seinem Schicksal sondern findet mithilfe von Büchern und seiner eigenen Vorstellungskraft eine Bewältigungsstrategie, um mit seiner Behinderung umzugehen. Er flüchtet sich in die Welt der Phantasie, beschreibt den eigenen Alltag mit Terminologien aus der Artussage und setzt sich zudem mit `den Konstruktionsdefiziten des menschlichen Körpers` (S. 26) auseinander und erfindet auf dieser Basis die Geschichte, von einem neuen `bionischen Körper`, der ihm verpasst wird (S. 61). Max glaubt ihm und ist von Kevins Tod am Ende überrumpelt, während er selber auf ihn eingestellt war.

Entlassung eines Straftäters/ Vaterbeziehung

Der Leser erfährt zunächst nur in Andeutungen über Figurenrede von der Kriminalität des Vaters von Max. Egal, wo Max auftaucht, überall unterhalten sich die Leute über seinen Vater, der Killer Kane genannt wird: die Großeltern, der Polizist, Iggy , Loretta Lee , die Mitschüler . Direkt spricht ihn nie jemand darauf an, was ihm nur recht ist, denn er will über seinen Vater nicht sprechen und nicht an ihn denken (S. 84).

Diese Verdrängung findet ein abruptes Ende, als der Vater aus der Haft entlassen wird, wovon Max durch die Schulleiterin erfährt (S. 95). Das geschieht in der Buchmitte, wo mit dem Kapitel Chop Suey ein Wendepunkt vorliegt, in dem auch Kevin körperlich zusammen bricht. Beide Protagonisten werden hier schwer erschüttert. Kevin kommt ins Krankenhaus, und Max wird bald darauf von seinem Vater entführt, wodurch sich die Geschichte dramatisch zuspitzt. Die Angst vor und die Ablehnung des Vaters wird vom Ich-Erzähler nicht explizit thematisiert, bevor dieser plötzlich auftaucht und seinen Sohn entführt. Dies ist der Verdrängungsstrategie des Ich – Erzählers geschuldet, wodurch sich auch die Spannung steigert. Die vom Vater begangenen Verbrechen scheinen in Andeutungen in Figurenreden auf, bis sich schließlich die Wahrheit enthüllt, als er Loretta Lee erwürgen will (S. 142). An dieser Stelle bricht der bis dahin wirksame Verdrängungsmechanismus des Protagonisten jäh auf, und er konfrontiert seinen Vater damit, dass er die Ermordung seiner Mutter mit angesehen hat (S. 143).

Es ist Kevin, der Max schließlich aus den Fängen des kriminellen Vaters rettet, der im Roman als durch und durch böse Figur konzipiert ist. Hier bricht Maxwells Trauma auf, aufgrund dessen er sich bisher vor der Außenwelt abgeschottet hatte.

Das negative Vaterbild im Roman erscheint in gewisser Weise problematisch. Kevins Vater ist abwesend, der von Max ist kriminell und böse. Positive Facetten scheinen bei den Vätern nicht auf, was sicher keine realistische Darstellung ist.

Artussage

Kevin stellt stets eine Analogie zwischen dem eigenen Leben und der Artussage her, er nennt seine Mutter die schöne Gwen (S. 24), reitet auf Max wie auf einem Pferd, sein Weckruf lautet `Wir müssen holde Jungfrauen befreien! Drachen töten!` (S. 52), die Stadtteile sind für ich geheime Königreiche (S. 59) und er initiiert Suchen wie die Ritter der Tafelrunde (S. 70). Die Phantasie hilft Kevin, mit seiner Krankheit umzugehen und seine Realität zu gestalten, womit er schließlich auch Max eine Stütze liefert. Auch die symbiotische Einheit der Freunde wird in Anlehnung an die Artussage beschrieben(S. 89). So verleiht der Bezug auf die Sage den Protagonisten Kraft und Stärke. Phantasie und literarische Welten tragen Kevin durch sein kurzes Leben, eine Strategie, an der er seinen Freund Max teilhaben lässt.

(Diese Analyse ist erstmalig erschienen in Kumschlies 2012).

 Populärrezeption

Freak wurde vor allem durch die filmische Adaption The mighty – Gemeinsam sind sie stark  mit Sharon Stone als Kevins Mutter bekannt (vgl. dazu Kurwinkel/ Schmerheim 2013, S. 33ff).

Zudem wird der Roman häufig für den Einsatz im Literaturunterricht in den Klassenstufen 7 – 8 empfohlen (vgl. z.B. Kumschlies 2012).

Primärliteratur

Philbrick, Rodman: Freak. Ravensburg 2001.

Sekundärliteratur

Gansel, Carsten: Moderne Kinder – und Jugendliteratur. Vorschläge für einen kompetenzorientierten Unterricht. 4. Überarbeitete Auflage. Berlin: Cornelsen 2010; Kumschlies, Kirsten: Materialien zur Unterrichtspraxis: `Freak` von Rodman Philbrick. Herausgegeben von Birgitta Reddig-Korn. Ravensburger Buchverlag 2012; Kurwinkel, Tobias/ Schmerheim, Philipp: Kinder- und Jugendfilmanalyse. Konstanz und München: UVK/ UTB 2013.