Inhalt

Der Sammelband, für den 19 Autor*innen vor dem Hintergrund ihrer Expertise und langjährigen praktischen Erfahrung 13 Originalbeiträge geschrieben haben, thematisiert „unterschiedliche Facetten von Theater für Kinder und Theater mit Kindern im Kita-Alter“ (S. 9), so die Herausgeberin Damaris Nübel in ihrer Einführung.

Die Publikation widmet sich, dem Untertitel entsprechend, drei Handlungsfeldern. In Teil 1: Bildung wird der Frage nach den Bildungsaspekten im frühkindlichen Theater nachgegangen. Mit einer theoretischen Verortung des Gegenstandes beginnt dieser Teil: Die Theaterpädagogin Amelie Barucha und der Dramaturg Thilo Grawe führen unter dem Titel „Theater erleben lernen” ein Gespräch nicht nur über die Herkunft des Theaters für die Vorschulkinder, sondern sie suchen nach theoretischen und ästhetischen Begründungen: „Dieses Theater ist maximal theatral, weil es maximal zeichenhaft ist“ (S. 25).    

Silke Wilhelm, die langjährige Leiterin des Stuttgarter KITA-Abo-Projekts, eröffnet ihren Beitrag mit der These: „Wer ins Theater geht, spricht besser! Wer Theater spielt, erst recht“ (S. 36). Damit wird, ebenso in einem weiteren Interview-Beitrag, die Relevanz der Darstellenden Künste für den Spracherwerb von Kindern und die Notwendigkeit von Spracharbeit in den Kitas herausgearbeitet. „Als Ergänzung des alltagsintegrierten Sprachförderkonzepts jeder Kita schaffen wir mit unserem Theaterangebot Erlebnisse, die über die Alltagserfahrung hinausgehen und dadurch in besonderem Maße Sprachanlässe bilden“, schreibt Wilhelm (S. 58).

Hannes Michl kommt in seinem Beitrag „Spielen lernen, spielen lassen. Über die Relevanz der Theaterpädagogik in der Erzieher*innen-Ausbildung am Beispiel Baden-Württemberg” zu dem ernüchternden Ergebnis, „dass das Darstellende Spiel beziehungsweise die Theaterpädagogik keinen prominenten Platz im Curriculum innehaben“ (S. 106). Die Breite der Bildungsaspekte des Darstellenden Spiels für die Vorschulkinder, im Sinne von sozialer, ästhetischer oder demokratischer Bildung beschreibt die Herausgeberin Damaris Nübel in einem eigenen Beitrag. Ein Fazit von ihr: „Bildung in der frühen Kindheit ist Selbstbildung. Um Selbstbildungsprozesse zu fördern, bedarf es einer anregungsreichen Umgebung“ (S. 72).

In Ergänzung zu den Beispielen aus Baden-Württemberg wird der Blick auf den Gegenstand durch die Beschreibung zweier weiterer, regionaler Projekte erweitert. In Teil 2: Kooperation und Transfer wird u. a. das generationenübergreifende Musiktheaterprojekt Unisono der Oper Köln vorgestellt. Jessica Höhn und Stephanie Sonnenschein erinnern, dass die Kinderoper Köln als Sparte der Bühnen Köln 1996 als erstes Opernhaus in Europa für junges Publikum gegründet wurde. Auf dieser Grundlage und der langjährigen pädagogischen Erfahrungen entstand 2021 das Projekt Unisono. Über die Freude an der Musik und dem Theaterspielen verbindet Unisono Menschen unterschiedlichen Alters: „Generationenbeziehungen werden dabei als aktiv gestaltbar erfahren und entwickeln darüber auch einen besonderen Wert für die Gesellschaft“ (S. 119). Für die Kinder der beteiligten Kitas entstanden durch die Gemeinsamkeit mit Senior*innen und dem Kennenlernen von Abläufen in der Oper ein doppelter Nutzen.

Ganz andere Ziele verfolgt, dem Teil 3: Praxis zugeordnet, das seit 2011 groß angelegte Projekt TUKI – Theater & Kita Berlin. TUKI ist ein Berliner Kooperationsprogramm der Frühkindlichen Kulturellen Bildung zwischen Kitas und Theater. Insbesondere die Darstellung des TUKI Tools als neue digitale Lernplattform (S. 156), die wie eine Lern-App aufgebaut ist, macht neugierig. Julia Bihl und Ann-Marleen Stöckert, unter Mitarbeit von Katja Fillmann, dokumentieren in „Aus der Krise mit dem TUKI Tool oder: Wie lässt sich TUKI Wissen teilen?“ (S. 156) den reichen Erfahrungsschatz bisheriger Projekte und teilen ihn mit Erzieher*innen, die sich neu in der Theaterarbeit mit den Kitas erproben wollen. Der Beitrag problematisiert darüber hinaus als einziger in diesem Band die Theaterarbeit mit Kindern in der Zeit der Corona Pandemie (2020–2022).

Weitere Praxisbeispiele sind für die Lesenden dieser Publikation von direktem Gebrauchswert. Sie zeigen Beispiele aus der alltäglichen theaterpädagogischen Arbeit auf und bieten sich direkt zur nachahmenden Umsetzung an. So z. B. die Spiele aus Stefanie Jergs und Susanne Mautz' Beitrag: „Weltenraum Theater - Spielend Geschichten erfinden in der Kita.“ Die beiden auch wissenschaftlich tätigen Theaterpädagoginnen sprechen der theatralen Improvisation sowie dem Erfinden eigener Geschichten eine großen Stellenwert für die frühkindliche Bildung zu. In dem Spiel „Lückengeschichten” leiten die Pädagoginnen die Kinder vom freien, lückenhaften Erzählen („Vor der Tür stand...”) über in das improvisierte Spiel. So entsteht eine Geschichte, an der alle mitwirken können. Diese können auch, durch geschickte Spielleitung, Konflikte aus dem Alltag der Kinder aufnehmen und Probleme spielerisch thematisieren. Noch konkreter mit Praxisbeispielen ausgestattet und ebenfalls bestens zum Nachahmen geeignet liest sich der Beitrag „Von Raketen, Zaubercremes und den großen Gefühlen. Spielesammlung für die Theaterarbeit mit den Jüngsten” der Theaterpädagoginnen Sezin Onay, Pauri Röwert und Silke Wilhelm. Die folgenden Unterkapitel „Spiele im Raum“, „Spiele im Kreis“, „Ausprobieren auf der Bühne“ und „Abschiedsrituale“ geben Orientierung. Die drei Praktikerinnen stellen ihren Methodenkoffer den Lesenden zur Verfügung.

Kritik

Die Publikation Theater in der Kita. Die Kita ins Theater! betrachtet ihren Gegenstand aus diversen Perspektiven. Mit theoretischen und historischen Überlegungen wird der Einstieg gefunden, Erfahrungsberichte gelungener Modelle aus unterschiedlichen Blickrichtungen bilden den Hauptteil des Sammelbandes und der mit konkreten Spielanleitungen abschließende Schlussteil weckt Neugier zum Nachspielen. Vermisst hat der Rezensent einen Überblicksartikel zum bundesweit aktuellen Stand des Theaters in der Kita. Wo finden weitere Kooperationsmodelle statt und wo gerade nicht? Gibt es in unserem föderalen System Länder und Kommunen, die dieses Bildungsmodell besonders fördern?

Maßgeblicher aber ist der gewinnende Charakter dieser Publikation, die ihren Platz sowohl in den theaterpädagogischen Abteilungen der Bühnen, vor allem aber bei den Erzieher*innen in den Kitas finden sollte. Sie animiert, Kinder auch im Vorschulalter und aller sozialer Herkünfte in ihren Kitas mit dem Theater, dem Theaterspiel und den Darstellenden Künsten zusammenzubringen.

„Es kann nicht genug betont werden, wie lohnend es ist, mit Kindern in der Kita Geschichten zu erfinden und zu spielen und ihnen damit zu ermöglichen, sich nicht nur als Darstellende, sondern auch als Schöpfer*innen einer Geschichte zu erfahren“ lautet das Fazit eines der Beiträge (S. 186). Diese Publikation, die den Gegenstand aus diversen Perspektiven problematisiert, verdeutlicht, dass die Darstellenden Künste eine Schlüsselrolle für eine ganzheitliche, frühkindliche Bildung einnehmen.

Literaturverzeichnis

dan Droste, Gabi (Hg.): Theater von Anfang an! Bildung, Kunst und frühe Kindheit. Bielefeld: transcript Verlag, 2009.

Titel: Theater in der Kita. Die Kita ins Theater! Bildung, Kooperationen, Praxisimpulse
Herausgeber:
  • Name: Damaris Nübel
Erscheinungsort: Weinheim
Erscheinungsjahr: 2024
Verlag: Beltz Juventa
ISBN-13: 978-3-7799-7138-2
Seitenzahl: 199
Preis: 23€
Buchcover von Damaris Nübel (Hg.), Theater in der Kita. Die Kita ins Theater! Bildung, Kooperation, Praxisimpulse, erschienen im Beltz Juventa Verlag. Die Schrift steht vor einem weißen Hintergrund mit einer schematischen Illustrationen einiger geschwungener Linien im oberen Bereich.