Inhalt

Erzählt wird die Geschichte von Hörbe, einem fröhlichen Hutzelmann, der im beschaulichen Dorf des Siebengiebelwalds als Hutmacher mit einem ganz besonderen Hut lebt. Eines Tages entschließt er sich, sein Dorf zu verlassen und auf Wanderschaft zu gehen. Ein Ziel hat er zunächst nicht vor Augen, aber die Reise bringt ihn dazu, sich selbst besser kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. So verlässt Hörbe nicht nur sein Heimatdorf, sondern auch seine Komfortzone und gelangt an Orte, die er und die anderen Hutzelmänner seines Dorfes sonst nie zu sehen bekommen. Durch einen Zufall findet er sich zum Beispiel in den von allen Hutzelmännern gefürchteten Worlitzer-Wäldern wieder. In diesen soll der berüchtigte Plam-Patsch leben, ein Unhold, zur Hälfte Wolf, zur anderen Hälfte Drache. Ausgerechnet an diesem Ort lernt Hörbe Zwottel kennen, einen Freund fürs Leben. Ob die beiden Plam-Patsch mit vereinten Kräften bezwingen können?

Hörprobe: Hörbe mit dem großen Hut

Kritik

Die Hörspieladaption unter Regie von Judith Lorentz stellt auf allen Ebenen ein besonderes Klangerlebnis dar, das hinsichtlich der detailreichen akustisch-sonosphärischen Ausgestaltung eine unmittelbare Nähe zur erzählten Welt herstellt. Zu Beginn werden die Hörenden durch Brigitte Hobmeiers sanfte und ruhige Sprecherinnenstimme behutsam in die erzählte Welt eingeführt. Passend zur Stimme der Erzählerin sind die Hintergrundmusik und die Klangkulisse gestaltet: Langsame Gitarrentöne und Streichinstrumente verschwimmen mit den Geräuschen des Vogelgezwitschers und lassen die Hörenden nahezu unmittelbar in den Schauplatz des Siebengiebelwalds hineingleiten. Diese klangliche Ausgestaltung wird in der Folge langsam durch Hörbes Summen abgelöst (01:09). Dies ist kennzeichnend dafür, dass der Musik auf der extra- und intradiegetischen Ebene im gesamten Verlauf des Hörspiels eine tragende Rolle zukommt. Einerseits reichert die Musik auf der extradiegetischen Ebene die Stimmung der Erzählung an: Die Schönheit des Tages, an dem sich Hörbe zur Wanderschaft entscheidet, wird durch langsame und hohe ineinander übergehende Gitarrentöne und Streichinstrumente sowie damit verschwimmende Geräusche untermalt (01:03). In einer anderen Szene hingegen wird eine Sequenz, in der Hörbe von Pam-Platsch träumt (38:04), ausgestaltet. Hier leitet ein dumpfer Ton den Beginn der Traumsequenz ein und reichert damit die Erzählung an, die das Einschlummern verbalisiert.

Auch an anderen Stellen liegen derartige stimmungsunterstützende Musikelemente vor: Als Hörbe beispielsweise in Sorge ist, erklingt ein Theremin, das einen mystisch anmutenden Sound erzeugt. Diese Soundgestaltung wird dabei von deutlichen „u-uuuh“-Rufen und tiefem Knurren überlagert (37:29). Andererseits wird die Form der Bedeutungserzeugung durch Liedtexte, die mit der Musik tadellos harmonieren und durch die verschiedenen Sprech- und Singstimmen hervorragend umgesetzt werden, evoziert. Die Figur Hörbe singt beispielsweise in fröhlichen Situationen Lieder, die zugleich Informationen über die erzählte Welt vermitteln. So erklärt Hörbe in einem Lied unter Anderem die Herstellung des Hutzelmannbrots (25:06). Dabei eignen sich bei allen Liedern, auch den von Hörbe und Zwottel gemeinsam gesungenen, sowohl die einfachen und oft wiederkehrenden Melodien als auch die Wörter und Satzteile der Liedtexte vor allem für die lustvolle Rezeption durch Kinder.

Das leitende Thema des Hörspiels ist wie schon in der literarischen Vorlage das der Vorurteile. So wird gezeigt, dass die Angst vor dem Unbekannten oftmals auf Fehlannahmen basiert. Deutlich ausgestaltet wird das bei Hörbe dadurch, dass zunächst die Ängste vor den Bewohnern der Worlitzer-Wälder dargestellt werden. Beispielsweise betont der schüchterne Leubner in Bezug auf die Wanderschaft Hörbes: „Das kann aber eine böse Überraschung geben, dann gerät man vielleicht in Gegenden, in die man gar nicht geraten will. In die Worlitzer-Wälder“ (08:28). Die ohnehin sehr leise Sprechstimme der Figur Leubner, die dessen Unsicherheit und Zurückhaltung gegenüber dem Unbekannten unterstreicht, wandelt sich beim Begriff „Worlitzer-Wälder“ in einen stottrigen Flüsterton. Das Stottern beim Aussprechen des Namens signalisiert die Unsicherheit und Furcht vor dem, was die Wälder enthalten könnten. Konkretisiert wird die Furcht in dessen geflüsterter Frage, wo Plam-Patsch ist, wobei hier insbesondere der Name gestottert ausgesprochen wird. Auch Hörbe ist nicht frei von Vorurteilen und Ängsten gegenüber den Worlitzer-Wäldern, denn er antwortet Leubner nach einer langen Pause mit einer rhetorischen Frage auf dessen Sorge: „Glaubst du vielleicht, ich will mich vom Plam-Patsch fressen lassen?“ Gebrochen werden diese Vorurteile erst dadurch, dass Zwottel, der in den Worlitzer-Wäldern lebt, dieselben Ängste gegenüber dem Siebengiebelwald und dessen Bewohnern hat. So wird gezeigt, dass Unterschiede oft nur ein Missverständnis sind.

Leitmotivisch durchzieht eine sprachspielerische Komik das Hörspiel. So nimmt die Figur Zwottel, die sich selbst explizit als albern charakterisiert, Auslassungen von Buchstaben und Buchstabenfolgen vor, vertauscht Anfangsbuchstaben oder ganze Wörter. Beispielsweise stellt sich Hörbe als Hutzelmann vor, woraufhin sich Zwottel einige Scherze mit Hörbe erlaubt:

Zwottel: Ein Brutzelmann, und, und was brutzelt ihr so

Hörbe: Nein, nein, nein, ein Hutzelmann.

Zwottel: Achso, ein Schnotzelmann.

Hörbe: Oh nein, nein, ein Hutzelmann.

Zwottel: Ja, schon recht, ein Wutzelmann.

Hörbe: Ein Hutzelmann!

Zwottel (lacht): Nichts für ungut, Schnitzelmann. Unsereins albert gern, kalbert gern. (20:22)

Insbesondere für junge Hörende kann die durch Sprachspielereien erzeugte Komik motivierend und ansprechend sein. Das Hörspiel bietet damit das Potenzial, im Anschluss auch selbst sprachspielerische Experimente zu betreiben.

Problematisch ist, dass es schon in der Textvorlage ausschließlich männliche Identifikationsfiguren gibt. Ein Stück weit wird dies zurückgenommen, indem in der Hörspieladaption zumindest weibliche Stimmen die männlichen Figuren sprechen.

Fazit

Die mit dem Auditorix-Hörspielsiegel ausgezeichnete Hörspieladaption des Kinderbuchklassikers Hörbe mit dem großen Hut besticht durch die zauberhafte Musik von Lutz Glandien und die Liedtexte. Das Hörspiel lädt ein, in die fantasievolle Welt des Hörbe einzutauchen und die Geschichte direkt mitzuerleben: Durch das langsame Erzähltempo und die passenden Sprechstimmen aller Figuren, welche die spezifischen Verhaltensweisen der jeweiligen Charaktere wunderbar zum Ausdruck bringen, können insbesondere Kinder ab 5 Jahren in die Welt der Hutzelmänner entführt werden. Die immer wieder auftretenden komischen Passagen sorgen kontinuierlich für ein Schmunzeln, wobei selbst gefährlich klingende Situationen humorvoll entlastet werden. Unaufdringlich wird dazu eingeladen, darüber nachzudenken, dass Unbekanntes und Fremdes nicht notwendigerweise negativ sind, sondern vielmehr eine lohnenswerte Entdeckung darstellen.

Das Hörspiel steht aktuell in der ARD Audiothek zum Abspielen zur Verfügung.

Dieser Beitrag erscheint im Rahmen des Hörspielschwerpunkts zum 100. Geburtstag Otfried Preußlers.

 

 

Titel: Hörbe mit dem großen Hut
Regie:
  • Name: Judith Lorentz
Autor/Bearbeitung:
  • Name: Judith Lorentz
Sprechende: Brigitte Hobmeier (Erzählerin), Nico Holonics (Hörbe), Sandra Schwittau (Zwottel), Annette Strasser, Jirka Zett, Ernst Konarek, Michael Tregor, Marek Harloff, Anne Lessmeister, Hanna Plaß, Maja Kuhl und Holger Heddendorp
Produktion: SWR/NDR
Erscheinungsjahr: 2016
Dauer (Minuten): 55 Minuten
Preis: 9,99
Altersempfehlung Redaktion: 5 Jahre
Preußler, Otfried: Hörbe mit dem großen Hut (Hörspiel)