Inhalt

Die Nachbarskinder Verena und Tom sind seit ihrem dreizehnten Lebensjahr ein Paar – unzertrennlich verbringen sie die Abende gemeinsam, mal bei Verena, mal bei Tom. Alles scheint perfekt: Abitur und das nachfolgende Studium vor Augen blicken beide einer gemeinsamen Zukunft entgegen. Nichts scheint ihrer Liebe im Weg zu stehen, bis Menschen in ihr Leben treten, die diese Liebe und die sicher und vorhersehbar geglaubte Zukunft auf die Probe stellen. Verena begegnet immer öfter dem 27jährigen Jesse, der so ganz anders ist als Tom und als Musiker in einer Band singt. Zusätzlich treffen sie und Tom immer wieder auf Isabelle, die neue Freundin von Verenas Zwillingsbruder Rollo, die sich sowohl für Verena als auch für Tom als Verführung entpuppt.

Ihre Beziehung hinterfragend, beschließen Verena und Tom, für zwei Monate eine offene Beziehung zu führen, in der alles möglich ist – auch die Beziehung zu anderen Partnern. Verena trifft sich immer wieder mit Jesse, Tom hingegen fühlt sich zu Isabelle hingezogen, die ihrerseits keinen Hehl daraus macht, dass sie sich neben Tom auch mit anderen Männern trifft. Beide erleben – jeweils auf ihre Art – neue Gefühle, z. B. Neugierde auf und  Unsicherheit im Umgang mit neuen Partnern und das Gefühl, emotionale und damit verbunden auch soziale Grenzen neu ausloten zu können. Gleichzeitig bauen sie auf die Stärke ihrer Beziehung und die Hoffnung, dass sie diese zeitlich begrenzte Offenheit aushalten wird.

Ihre neuen Freiheiten zunächst genießend müssen jedoch sowohl Verena als auch Tom feststellen, dass ihr Arrangement auch Einschränkungen mit sich bringt, die sich vor allem in einer zunehmenden Entfremdung der beiden zeigen, obwohl beide ihre Beziehung nicht aufgeben wollen. Doch immer mehr stellt sich – vor allem auch für die Lesenden – die Frage, wem die beiden etwas vormachen und wem sie etwas beweisen müssen: Sich selbst oder den anderen, ihren Freunden und ihrer Familie?

Mit dieser veränderten Beziehungsstruktur zwischen Verena und Tom werden auch familiäre Konstellationen verknüpft, die sich als ebenso fragil entpuppen: Toms Mutter Sigrid und Verenas Vater Bernd beginnen eine Affäre und trennen sich schließlich von ihren jeweiligen Partnern, um einen Neustart im Leben anzufangen. Es kommt, wie es kommen muss: Verena und Tom trennen sich – symbolisch verliert Verena vor der Trennung den Silberring, den sie von Tom geschenkt bekommen hat – und beginnen ihr Studium jeweils allein in anderen Städten. Sie verlieren sich aus den Augen. Nach einem Jahr treffen sie sich – und Tom hat einen neuen Ring dabei…

Kritik

Sabine Both thematisiert in ihrem Buch Ein Sommer ohne uns Fragen, die sowohl Erwachsene als auch Jugendliche beschäftigen: Funktioniert eine offene Beziehung und kann echte Liebe Fremdgehen verkraften? Aus den Perspektiven von Verena und Tom werden wechselseitig ihre Erfahrungen in der Beziehung, aber auch ihre Gefühle und ihre Zweifel dargestellt und den Lesenden zugänglich gemacht. Typografisch ist dieser Perspektivwechsel geschickt gelöst: Verenas Gedanken werden in einer Serifenschrift (vermutlich Times New Roman) gedruckt, während Toms Perspektive in einer serifenlosen Schrift dargestellt wird. Dieser Perspektivwechsel ermöglicht es den Lesenden, sich ganz nah an den beiden überzeugend konzipierten Protagonisten Verena und Tom heranzutasten und an ihren Gefühlen teilzuhaben und Zweifel, Ängste und Hoffnungen mitzuerleben. Diese Nähe wird durch den heterodiegetischen Erzähler mit interner Fokalisierung erzeugt, der das Innenleben der Protagonisten wiedergibt.

Thematisch wird neben der zentralen Frage nach der Möglichkeit einer offenen Beziehung und der damit zusammenhängenden Frage nach Treue und Fremdgehen auch das Thema Patchworkfamilie aufgegriffen: Allen Themen werden integriert in die Lebenssituation der Protagonisten, die sich mitten im Abitur und im sich anschließend anbahnenden Studium befinden und damit einen weiteren Schritt ins 'Erwachsenenleben' vollziehen. Auch diese komplexe Lebenssituation ist auf die jugendliche Leserschaft zugeschnitten, die sich auch auf dieser Ebene mit den Protagonisten identifizieren können. Zudem wird das Thema des Fremdgehens strukturell ausgeweitet auf die Eltern der Protagonisten.

Auf sprachlicher Ebene erscheint Boths Roman sehr eigen: Durch kurze Sätze und oft einfache Satzkonstruktionen verleiht Both dem Geschehen einen auf den ersten Blick hektischen, atemlosen Charakter. Auf den zweiten Blick eröffnet sich zusätzlich eine zweite Lesart dieser Atemlosigkeit, die als literarisches Element gesehen werden kann, um den flüchtigen, schnellen Moment von Beziehungen, von Emotionen, kurz: des Lebens festzuhalten.

Fazit

Mit Ein Sommer ohne uns greift Both eine Situation im Leben junger Menschen auf, die sich in einer Umbruchsituation befinden und sich von ihrem 'alten' Leben verabschieden müssen, um sich auf einen 'neuen' Lebensabschnitt vorzubereiten. Das Buch erscheint daher aufgrund der gewählten Thematiken für Leserinnen und Leser ab 14 Jahren geeignet.

Titel: Ein Sommer ohne uns
Autor/-in:
  • Name: Both, Sabine
Erscheinungsort: Bindlach
Erscheinungsjahr: 2016
Verlag: Loewe
ISBN-13: 978-3-7855-8222-0
Seitenzahl: 240
Preis: 12,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 14 Jahre
Both, Sabine: Ein Sommer ohne uns