Inhalt

"Ich bin ein Stammgast in der Bibliothek und süchtig nach Wikipedia." Dies sind ungewöhnliche Aussagen einer 12-jährigen über sich selbst. Für Zonja mit Z, die vermutet wegen ihrer Namensschreibung so versessen auf Statistiken und Listen zu sein, jedoch eine zutreffende Schilderung.

Gemeinsam mit ihrer Mutter, die sie aufgrund ihrer kroatischen Herkunft Mati nennt und ihrem Vater, der sich vorwiegend mit Mathematik beschäftigt, wohnt sie in einer Reihenhaussiedlung. Bei Gleichaltrigen trifft Zonja mit ihren ausgefallenen Freizeitbeschäftigungen, der eigenbrötlerischen Art und dem unstillbaren Wissensdurst nicht auf Übereinstimmungen. Deswegen verbringt sie die anstehenden Sommerferien vorwiegend allein. Im Freibad kann Zonja ungestört ihre Umwelt beobachten und Statistiken erstellen.

Bis das Mädchen eines Tages jemanden aus dem Wasser fischt und ihn so vor dem Ertrinken rettet: Mucks, ein 13-jähriger, hagerer Junge in grüner Badehose mit abstehenden Ohren. Ebenso wie Zonja hat er eine Vorliebe für Himbeereis und Scrabble. Die ideale Basis für eine Freundschaft - das mit dem Schwimmen, beschließt Zonja, werden beide noch gemeinsam angehen.

In der folgenden Zeit verbringen die Zwei jeden Tag gemeinsam im Freibad. Sie spielen Scrabble, essen Eis und Zonja stellt Mucks immer wieder viele Fragen. Doch sie spürt: Irgendetwas ist seltsam an Mucks. Er erzählt nur wenig von sich. Es befindet sich Pfefferspray unter seinen Schwimmsachen. Als Zonja ihn dann auf die Sache mit dem 'Nichtschwimmen-Können' anspricht rastet Mucks aus. "Dein ganzer 'Heile-Welt-Quatsch' ist nervtötend. Du hast gar keine Ahnung!" (S.54). Da hat er Recht.

Mucks lebt mit seiner Mutter und seiner Oma im Fasanenacker, einer Hochhaussiedlung, die Zonja als "unzählige winzige Fenster, die aussehen wie die Augen eines lethargischen Riesenmonsters, das den Überblick über die umliegenden Äcker behalten will" beschreibt (S.57).

Nach dem heftigen Zerwürfnis zwischen Zonja und Mucks im Schwimmbad beginnt sich sein Geheimnis langsam zu lüften. Mucks berichtet von mehreren Umzügen innerhalb einer kurzen Zeitspanne. Den wachsenden Schwierigkeiten seiner Eltern nach der Arbeitslosigkeit seines Vaters. Der darauffolgenden Flucht. Als Zonja Mati dann von neuen blauen Flecken auf Mucks Haut berichtet und dieser am Telefon, wie ein anderer Mensch klingend ,versucht Zonja abzuwimmeln, geht alles ganz schnell.

Kritik

Der Debütroman von Stefanie Höfler Mein Sommer mit Mucks wirkt auf den ersten Blick mit seinem Din A5 Softcover eher unscheinbar. Durch die brisante Thematik der häuslichen Gewalt in Kombination mit einer Freundschaftsgeschichte zweier Außenseiter gelingt aber eine ausgewogene Mischung. Diese zeichnet sich durch eine realistische Darstellung der familiären Gewalt aus, die durch die parallel entstehende Freundschaft der Protagonisten aufgelockert, jedoch nicht bagatellisiert wird.

Der Autorin gelingt es, weder plakativ noch drängend zwischen den Zeilen Werte wie Achtsamkeit und Zivilcourage zu thematisieren. Stefanie Höfler zeichnet ihre Erzählung aus unverbrauchten Bildern und Szenen, die dem Rezipienten Einblicke in die voneinander abweichenden Lebenswelten von Zonja und Mucks gewähren.

Die konzipierten Figuren werden authentisch und facettenreich beschrieben. Besonders Zonja überzeugt durch ihre selbstironische Sprache, die der Geschichte trotz der schwierigen Thematik immer wieder Leichtigkeit zurückgibt. Beispielsweise als Mucks nach Zonjas Frage, warum er denn mit dreizehn noch nicht schwimmen könne, verschwindet: "Aber ich gehe den Weg langsam. Auf jeden Fall langsamer als Mucks, der nach seinem Wutausbruch ja losgerannt ist wie von der Tarantel gestochen" (S.58).

Die Kapitellänge erstreckt sich jeweils über eine überschaubare Seitenanzahl und eignet sich demnach für Leser im Alter von 11 Jahren. Einzig die Vorlieben der Ich-Erzählerin für Statistiken und schwierige Wörter könnte den Lesefluss eines ungeübten Lesers hemmen. Diese werden in umfangreichem Maße, nicht nur zu Beginn jeden Kapitels, sondern auch immer wieder zwischen den Seiten konsequent und authentisch aufgegriffen. Durch den Einbezug dieser Eigenarten und die gesonderte Darstellung im Textverlauf kann der Rezipient sich gut in Zonja hineinversetzen. Er lernt ihre Denk- und Handlungsweisen kennen. Die Wichtigkeit der Statistiken ist beispielsweise durch eine Hervorhebung im Text gekennzeichnet. Dies betrifft ebenso das 'Fragelisten-Schreiben', da im Verlauf der Erzählung die Fragelisten durch eine abweichende Schriftart und eine eingerückte Form hervorgehoben werden.

Daneben fallen der von Franziska Walther gestaltete Einband und die Vignetten zu Beginn jeden Abschnitts auf. Diese unterstreichen den Inhalt der darunter erwähnten statistischen Fakten und wirken somit unterstützend. Der Einband zeigt das Schwimmbad als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, die Schatten der beiden Protagonisten, sowie ein Krokodil mit geöffnetem Maul, das auf den männlichen Protagonisten, zuschwimmt. Dieses Motiv fügt sich gut in das Gesamtprodukt ein und lässt den Leser bereits im Voraus Vermutungen über den Inhalt anstellen.

Fazit

Dieser sommerliche Kinderroman zeichnet sich besonders durch seine selbstironische Leichtigkeit im Umgang mit einer schwierigen Thematik wie häuslicher Gewalt aus. Mit seiner überschaubaren Kapitellänge und dem vorhandenen Vokabular eignet sich Ein Sommer mit Mucks für geübte Leser ab 11 Jahren.

Titel: Mein Sommer mit Mucks
Autor/-in:
  • Name: Höfler, Stefanie
Illustrator/-in:
  • Name: Franziska Walther
Erscheinungsort: Weinheim
Erscheinungsjahr: 2015
Verlag: Beltz & Gelberg
ISBN-13: 978-3407747259
Seitenzahl: 140
Preis: 5,95 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Höfler, Stefanie: Mein Sommer mit Mucks