Der Preisträger Professor Dr. Walter Puchner (Universitäten Athen und Wien) wurde 1947 in Wien geboren. Puchner studierte in seiner Heimatstadt Theaterwissenschaften und wurde bei dem Volkskundler und Kulturwissenschaftler Leopold Schmidt zum Thema neugriechisches Schattentheater promoviert; 1977 folgte die Habilitation zu den Beziehungen zwischen den Bräuchen des griechischen Jahreslaufs und dem Volkstheater. 1978–89 lehrte Puchner Theaterwissenschaften an der Universität Kreta, seit 1989 an der Universität Athen sowie auch am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaften der Universität Wien. Er ist Träger des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst und korrespondierendes Mitglied der philosophisch-historischen Klasse derÖsterreichischen Akademie der Wissenschaften.


Um die Erforschung und Erhaltung des Märchens und anderer Formen der mündlichen Erzählüberlieferung ver- dient gemacht hat sich Puchner in mehrfacher Weise. Seine Arbeiten hierzu zeichnen sich durch eine überaus große zeitliche, kulturelle und inhaltliche Spannbreite aus. Erforscht hat er speziell die traditionelle Erzähl- überlieferung Südosteuropas, besonders Griechenlands, sowie der Türkei, und vor allem Zaubermärchen wie Die Vergessene Braut, Die drei geraubten Prinzessinnen und den Blaubart-Zyklus sowie Schicksalsmärchen um Figuren wie Ödipus und Judas, ferner populäre Schwankmärchen. Die von Puchner untersuchten Zauber- märchen gehörten früher zu den am weitesten verbreiteten, führen aber heute im öffentlichen Bewusstsein nur noch ein Schattendasein; umso wichtiger ist daher ihre Dokumentation. In seinen weitgespannten Un- tersuchungen zeigt Puchner, dass die traditionelle Märchenüberlieferung und weitere Erzähltraditionen, wie sie im internationalen Erzähltypenkatalog (ATU) sowie in Kompendien wie der Enzyklopädie des Märchens zusammengefasst sind, nicht isoliert in einem Vakuum existier(t)en, sondern Teil eines lebendigen Traditions- geflechts sind, zu dem auch Lied und Ballade, populäres Brauchleben, Volksschauspiel, Amateurtheater und die Arbeit gewerbsmäßiger Schausteller (Puppenspieler, Schattenspieler) ebenso gehören wie der Einfluss li- terarischer Werke und neuer populärer Quellen und Medien. Die zeitliche Spannbreite dieser Untersuchungen Puchners reicht von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart. All diese Verflechtungen in nuancierter Weise aufzuzeigen, macht das besondere wissenschaftliche Gewicht seiner Arbeiten aus.


Zu danken ist Puchner ferner, zusammen mit griechischen Kolleginnen und Kollegen, für sein Engagement für die Erhaltung und wissenschaftliche Nutzbarmachung des Nachlasses des großen griechischen Mär- chenforschers Georgias A. Megas sowie für die Erschließung der Märchenstudien von Michael Meraklis für das deutschsprachige Publikum. Über populäre wie gelehrte Überlieferungen Griechenlands und anderer Balkanländer sowie der Türkei verfasste Puchner eine Vielzahl nuancierter und detailreicher Aufsätze und Rezensionen für volkskundlich-kulturanthropologische Zeitschriften im deutschsprachigen Gebiet, sowie für Spezialpublikationen wie die Enzyklopädie des Märchens und erfüllt damit die Rolle eines Kulturvermittlers, der Rezipienten deutscher Sprache neue Horizonte in Bezug auf die südosteuropäische Erzählüberlieferung und andere volkstümliche Traditionen öffnet.

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[Quelle: Pressemitteilung]