Sabine Planka: Sie haben Bücher geschrieben für Erwachsene, dazu Kolumnen und auch CDs produziert. Hinzu kommen Theaterstücke, mitunter für Kinder. Mit Mädchenmeute haben Sie nun ein Jugendbuch geschrieben – nominiert für den diesjährigen Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Jugendbuch –, das bereits zahlreiche Preise erhalten hat und zudem verfilmt wird. Wie gehen Sie mit Ihrer zunehmenden Bekanntheit um?

Kirsten Fuchs: Die ist ja so schön langsam vor sich hingewachsen. Es ist immer noch so, dass ich diese Bekanntheit nicht wahrnehme. Wenn Lesungen sind und viele Leute kommen, die mögen was ich mache, dann ist das schön. Aber in meinem Alltag spielt das eben keine Rolle. Und deshalb existiert Bekanntheit nur beruflich.

Das heißt, Sie können noch inkognito einkaufen gehen?

Ja, total. Vielleicht gucken  mich manchmal Menschen nett an. Und dann kann ich mir überlegen, ob die mich jetzt einfach nett angucken, oder ob die mich doch erkannt haben. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass das eine große Rolle spielt. Vielleicht ist Berlin auch sehr dezent mit solchen Dingen. Da würde jetzt auch keiner im Alltag groß auf mich zukommen. Und es gibt nette Zuschriften. Ich habe da überhaupt keine negativen Erfahrungen gemacht.

Bekommen Sie inzwischen viel Fanpost?

Mittel. Aber jetzt mit Mädchenmeute mehr, weil ich das Gefühl habe, dass die jungen Mädchen häufiger Kontakt suchen. Erwachsene gehen da vielleicht anders mit ihren Leseerlebnissen und Fragen um, die sie da so haben oder sich vielleicht nicht trauen, zu schreiben. So junge Leserinnen haben dann eher das Bedürfnis, schreiben zu wollen. Und dann tun sie das auch und nutzen natürlich auch das Internet ganz anders, so dass sie dann den Kontakt auch ganz schnell zu mir haben zum Beispiel über Facebook und mir dann einfach was schreiben. Das ist schön.

Beantworten Sie ihre Fanpost?

Ja, mache ich.

Was ist einfacher: Schreiben für Erwachsene oder Schreiben für Jugendliche?

[Kirsten Fuchs überlegt einen Moment] Hmm. Ich hab das bei Mädchenmeute nicht so im Hinterkopf gehabt, dass ich jetzt für Jugendliche schreibe. Für das Theaterstück hatte ich es dann schon im Hinterkopf, da ja klar war, dass das etwas für Zwölfjährige sein soll. Das fand ich schwerer. Aber bei Mädchenmeute fand ich es nicht schwerer. Ich hab nicht das Gefühl, ich muss mich jetzt irgendwie anders sprachlich verhalten. Es sind ja auch keine völlig anderen Menschen, nur weil sie jung sind. Ich hab nicht das Gefühl, dass das so einen großen Unterschied macht. Und sonst finde ich, hat's mehr Spaß gemacht und ist dankbarer. Ich hatte das Gefühl, dass jugendliche Leser sich auch nicht mit so einer Kunstkacke abspeisen lassen würden, sondern dass die ganz klar eine straffe spannende Handlung brauchen. Und das hat mir beim Schreiben auch viel mehr Spaß gemacht, als das Schreiben für Erwachsene, wo man das Gefühl hat, man könne viel mit Sprache und Tricks an den klassischen Erzählstrukturen vorbeischreiben. Bei Mädchenmeute hatte ich das Gefühl, das muss in eine bestimmte Richtung ziehen. Eigentlich fand ich das schöner.

Das heißt, Sie werden weiterhin auch für Jugendliche schreiben? 

Ja.

Das hört sich so an, als wäre da etwas in Arbeit.

Naja, ich hab jetzt wieder ein Theaterstück, an dem ich arbeite. Und ich habe ein Kinderbuch geschrieben, was ja jetzt noch mal etwas anderes ist. Das läuft auch ganz gut – und es macht total viel Spaß, vor noch kleineren Kindern zu lesen. Und die Mädchenmeute ist ja so angelegt, dass es eine Fortsetzung geben könnte und jetzt habe ich auch eigentlich wirklich Lust drauf. Jetzt, wo das Buch so gut gelaufen ist, ist es auch schön, wenn man das nicht einfach nur für sich macht. Mädchenmeute war ein Buch, das ich erstmal nur für mich geschrieben habe. Das war ein Buch, das ich haben wollte.

Das heißt, Sie haben etwas geschrieben, was Sie gerne lesen wollten?

Genau. Ein Buch, was ich gerne gehabt hätte. Und das habe ich mir geschrieben. Wenn es jetzt wirklich einen zweiten Teil geben sollte, wäre es schon deutlich auch für andere. Da würde sich dann etwas verändern beim Schreiben.

Wie viele eigene Erfahrungen sind beim Schreiben in das Werk eingeflossen?

Es fließt natürlich viel ein, wird aber dann verstärkt oder so benutzt, wie es gebraucht wird. Bei Mädchenmeute sind in einige Mädchen Eigenschaften von mir eingeflossen, aber auch von Freundinnen, was ja auch mein Leben ist, oder von Menschen, die ich halt kenne. Das Erzgebirge ist mir auch relativ nah, so dass auch hier viel im Roman drin ist. Diese Erzgebirgsgeschichten habe ich als Kind erzählt bekommen. Insgesamt ist im Roman schon viel von meinem eigenen Leben drin. Aber ich war nicht in so einem Camp und habe auch nicht so etwas erlebt. Das sind alles so einzelne Bausteine. Das große Ganze, dieses Abenteuer habe ich selber leider nicht gehabt.

Und ich hab noch einen Hund! Das ist auch so ein Aspekt. Ich wollte als Kind schon immer einen Hund haben. Ich bin ein totaler Hundefan. Jetzt habe ich einen. Und das hat natürlich auch reingespielt in den Roman.

Mich hat beim Leben so ein bisschen das Gefühl beschlichen, dass Heimatverbundenheit ein großes Thema ist, aber eben auch das Bewahren von Sagen, von Mythen und von Traditionen. Wie wichtig ist Ihnen dieses Bewahren von Traditionen? Spielt das überhaupt eine Rolle?

Bestimmt, aber nicht so, dass ich mir das vorgenommen habe. Mich hat auf jeden Fall daran interessiert, dass es eine Menge Sachen gibt, an die Jugendliche vielleicht gar nicht mehr so herangeführt werden oder herangeführt werden wollen. Sie sind ja auch eigenständige Personen. Es ist ja nicht so, dass Pädagogen sie immer nur in eine bestimmte Richtung schieben und da sind sie dann. Jugendliche lesen viel Fantasy. Diese ganzen Geschichten über Drachen, das gab's eigentlich schon immer. Und wenn man mal ein bisschen in den alten Geschichten guckt, ist das auch schon immer da und ist nicht neu erfunden worden. Auch Vampirgeschichten, Engel, Drachen, alles war schon immer da. Und da fand ich es ganz spannend, dass diese Erzgebirgsgeschichten Jugendliche vielleicht auch interessieren könnten. Das andere, das ich spannend fand, war, dass diese verlorene Welt DDR noch einmal aufgeklappt wird. Jugendliche heute sind eine Generation, die wirklich nichts mehr damit zu tun hat. Die Großeltern erzählen das wie eine versunkene Welt. Das ist ein Schatz, der dann nichts mehr bedeutet. Das hat mich irgendwie auch gereizt. Wie sich die Wertigkeit von Dingen verändert. Die Elterngeneration wusste das alles noch und hat sich das erzählt und jetzt ist das alles weg. Und wenn die Mädchen dann in den Stollen im Wald kriechen, kann man das alles wieder hervorholen. Dieses Hineinkriechen in die Landschaft, die unterhöhlt ist und in der es Gänge gibt, die eingefallen sind und an denen ‚Lebensgefahr‘ dran steht. Das ist ja wirklich so im Erzgebirge.

Ihr Roman zeichnet sich zum einen durch eine Sprache aus, die nicht gekünstelt wirkt, und nimmt zum anderen dadurch seine LeserInnen ernst und spricht sie direkt an. Wie sind Sie speziell an das Schreiben dieses Romans herangegangen?

Ich nehme jetzt mal Charlotte als Beispiel, die so eine bestimmte Haltung hatte. Charlotte saß am Anfang so neben mir oder in mir mit verschränkten Armen, so: „Pfft. Weiß ich alles und will ich nicht.“ So wie man in dem Alter halt so ist. Und dann ist ihr etwas passiert, das glaube ich allen in der Pubertät oder überhaupt jungen Menschen passiert… Ist eigentlich egal wann. Es kann auch mit 30 noch passieren. Nämlich, dass man die Welt sieht und sich denkt, so will ich nicht werden und sich fragt, wie konnten alle anderen so werden und ich bin auf jeden Fall anders. Jede Generation denkt, das passiert ihnen nicht. In diesem Prozess befinden sich gerade die Mädchen. Und dadurch haben sie einen so genauen Blick auf die Welt, viel mehr als Erwachsene die Dinge so sehen. Diese Rituale, was Erwachsene so tun, was Jungs und Mädchen, was Männer und Frauen so machen, wie sinnlos dieses ganze Gearbeite ist und diese Dinge - das sehen die Mädchen. Und das finde ich, ist eine total schöne Wahrnehmung. Ich selbst kann mich an diese Zeit erinnern. Natürlich bin ich anders geworden, als ich dachte, dass ich es werde, und bin auch an Stellen gekommen, die mir damals sehr fremd gewesen wären. Jetzt verstehe ich, wie man dahin kommt. Aber ich finde diesen Blick auf die eigenen Entscheidungen so spannend.

Das Schreiben selbst war ein kreativer Prozess. Ich habe total viel drum herum gemacht. Ich habe mir eine Karte gemalt, ich war im Erzgebirge, ich habe mir Fotos von Hunden ausgedruckt und mir aus Mädchenzeitungen Mädchen ausgeschnitten und gebastelt und so die Charaktere zusammengestellt. Da war viel Gebastel am Anfang, um mir die Protagonisten zu suchen. Das war auch relativ straff geplottet für meine Verhältnisse, hat sich beim Schreiben aber auch wieder verändert. Dadurch, dass die Charaktere relativ stark wurden, haben sie nicht immer das gemacht, was ich wollte. Das wäre sonst unglaubwürdig geworden. Ich habe dann gemerkt, dass ich mir gewünscht hätte, dass bestimmte Dinge im Buch drin sind, habe aber auch gemerkt, dass die Mädchen das nie tun würden. Sie sind nicht so dumm. Ich musste ihnen dann gerecht werden, so wie ich sie mir ausgedacht habe. Sie sind ja doch recht clever und nicht auf den Mund gefallen, auch wenn sie manchmal Quatsch machen.

Also gab es eine gewisse Eigendynamik der Figuren?

Ja, die gab es.

Ich finde es ganz spannend, dass Sie mit einem Mindmap gearbeitet und das alles visualisiert haben.

Ich hatte so eine Arbeitswand, fast wie bei der Polizei bei Ermittlungsarbeiten. Ich habe mir Waldstücke angeguckt und Fotos gemacht, die dann aber zusammengezogen. Die Waldabteile, die ich brauchte, sind dann zu einem fiktiven Gelände geworden. Und dann musste ich ja auch noch wissen, wo die Wasser holen, wie sie laufen, wo Brennnesseln sind und so weiter. Das braucht man schon. Ich hab eine Karte gemalt und die Fotos draufgeklebt. Wenn man versucht, so viele ausgedachte Figuren durch eine ausgedachte Landschaft zu bewegen, ist es schon besser, wenn man die Augen schließen und sehen kann, wie sie das tun. Und dann musste ich natürlich noch wissen, wie viele Meter oder Minuten sind es denn, bis sie von diesem Baum zu diesem Bach gelaufen sind.

Im Grunde wie ein Spielbrett.

Ja, ein bisschen. Auch die Hunde sind übrigens gebastelt. Es gibt einen Hund, der ist aus zweien gebastelt, weil ich dachte, er soll diese Form, aber eine andere Farbe haben. Und dann habe ich mir gedacht, dass ich einfach beide Hunde aufnehme und zusammenpacke.

Wie verläuft bei Ihnen ein typischer Arbeitstag: Wie und wo schreiben Sie?

Das ändert sich ständig und ist von Buch zu Buch irgendwie anders – und auch von Lebenssituation zu Lebenssituation. Jetzt ist meine Tochter in der Schule, da ist es alles disziplinierter, als es jemals vorher war! Ich arbeite jetzt auch nicht mehr zu Hause im Home Office, sondern gehe in einen Co-Working-Space, weil ich mich immer schlechter konzentrieren kann je älter ich werde. Ich habe früher in Cafés geschrieben, egal ob am Nachbartisch geredet wird und hab Musik gehört. Auch zu Hause konnte ich noch lange arbeiten. Das geht jetzt gar nicht mehr. Das heißt, der typische Arbeitstag ist jetzt noch relativ neu für mich und viel disziplinierter als früher.

Wo schreiben Sie am liebsten? Sie haben gerade gesagt, dass sie in einem Co-Working-Space schreiben. Gibt es noch andere Orte, an denen es auch ruhig genug zum Schreiben ist?

Es geht gar nicht so richtig um den Ort, sondern einfach darum, dass das Schreiben funktioniert und dass sich meine Gedanken darauf einlassen können und ich nicht zu abgelenkt bin. Es sind eher die Umstände, die stimmen müssen. Ich komme mit Lärm nicht mehr gut klar. Und ich kann auch nicht mehr gut ausblenden, wenn ich Dinge zu tun habe und die mich dann blockieren. Ich versuche, diese Dinge jetzt nebenbei aufzuschreiben, damit ich nicht mehr daran denken muss. Dann habe ich neben mir einen Zettel liegen, um immer wieder zu meiner Arbeit zurückkehren zu können.

Das heißt, Sie hören auch keine Musik nebenher.

Ganz, ganz, ganz selten und dann auch eher, wenn ich ‚irgendetwas‘ schreibe. Oft ist dann aber auch das, was ich geschrieben habe, nicht brauchbar.

Interessant. Viele Autoren sagen ja, dass sie durch Musik emotional inspiriert werden, um Stimmungen und Emotionen besser nachempfinden und zu Papier bringen zu können.

Das kann ich mir gut vorstellen. Bei mir würde es aber nicht gut funktionieren. Ich bin eher ein optischer Mensch und auch eher haptisch veranlagt. Ich muss auch immer etwas mit den Händen machen. Ich mache zum Beispiel immer Begleithefte zu jedem Roman, in denen ich dann mit der Hand immer viel aufgeschrieben und Fotos eingeklebt habe – oder auch Kalender entwickelt habe. Ich muss ja wissen, an welchem Tag was genau passiert. Daher lege ich mir immer so Hefte an. Das brauche ich einfach und dadurch komme ich auch gut in die Arbeit rein, wenn ich schneide und klebe und durchstreiche.

Ein Drehbuch zum Buch sozusagen.

Ja, so ein bisschen. Es muss auch immer ein Rotstift und ein Grünstift dabei sein, damit es sich nach Arbeit anfühlt.

Zeigen Sie Ihre Ideen und Entwürfe Ihrer Familie oder Freunden? Und wie gehen die mit Rohentwürfen um? Oder präsentieren Sie später das fertige Produkt?

Ich rede viel darüber, vor allem mit meinem Mann. Bis zur Hälfte schreibe ich aber trotzdem immer noch alleine. Ich bespreche Sachen, zeige aber den Text nicht. Und dann ab der Hälfte, wenn ich weiß, dass jetzt so viel da ist und das Buch dann auch wirklich fertig wird, dann kann ich auch Text zeigen. Wenn dann jemand etwas sagen würde, würde es mich auch nicht mehr umhauen, weil ich mir dann sicher bin mit der Geschichte. Ich zeige es auch immer mehreren Leuten, und dann vor allem Kollegen, die ebenfalls schreiben. Deren Meinungen heben sich dann manchmal auf. Dann weiß man ja auch Bescheid. Was man davon nimmt und was nicht. Dann kann man ganz geklärt weiterarbeiten – wobei beenden schwerer ist als anfangen. Zumindest für mich. Das gibt es bestimmt auch anders. Ich zeige meine Texte auch gar nicht gerne Leuten, die nicht schreiben. Ich habe das Gefühl, wenn Leute schreiben, wissen sie, was das bedeutet. Die sind vorsichtig genug mit Kritik. Und dann gebe ich es oft auch Männern und Frauen.

Interessant, wo doch Jungs in Mädchenmeute erst relativ spät eine Rolle spielen und sonst die Mädchen im Vordergrund stehen.

Für die Jungs hat sich mein Vater eingesetzt. Mit meinem Vater habe ich viel über das Buch geredet und der war auch die beiden Male mit im Erzgebirge. Er hat daher viel verbal begleitet, ihm habe ich aber auch nichts zu lesen gegeben. Wir haben aber ganz, ganz viel miteinander gesprochen, z.B. wie und wo das sein könnte. Und dann auch einfach über ganz praktische Sachen. Über die Wetterlage, über Nahrungsbeschaffung im Buch und so. Mein Vater hat sich dann für die Jungs eingesetzt und gesagt, dass da doch Jungs eine Rolle spielen müssen. Es gibt Frauen, die sagen, dass sie das Buch lieber komplett ohne Jungs gehabt hätten. Aber ich fand es dann doch ganz reizvoll, dass die Mädchen ganz klar die Hauptfiguren sind und die Jungs die Helferlein sind, die dann dazu kommen. Sonst ist das ja auch ganz oft anders herum, dass es einen Männerüberschuss gibt, in Büchern, in Filmen. Dann gibt es das eine Mädchen, das anders ist. Oder es gibt die, in die alle verliebt sind und um sie herumschwirren. Aber es sind nicht die Hauptpersonen, sondern oft auch Zusatzpersonal. Und dann dachte ich, dass ich die Jungs erst später hinzustoßen lasse. Die sind ja auch blasser.

Und wirken tatsächlich auch erst wie ein Störfaktor und brechen das Gefüge zumindest zu Beginn auf.

Ja, eigentlich möchte man gar nicht, dass sie da sind. Und das letzte Drittel des Buches ist sowieso anders. Ich habe auch schon beim Schreiben befürchtet, dass das Leute stören könnte, dass die Gruppe nicht mehr im Wald ist. Der Mittelteil bildet ja deutlich das Herzstück der Geschichte. Und wenn das so auseinanderbricht, ist man auch erst einmal unzufrieden. Es ist eine starke, überraschende Änderung, dass da noch einmal etwas ganz anderes kommt.

Dabei überzeugt doch gerade diese Dreiteilung. Der erste Teil ist Roadnovel, der zweite Teil Abenteuer und der dritte Teil Kriminalroman, der sich im zweiten Teil schon andeutet. Das erscheint mir rund und stimmig, vor allem durch die Entwicklung der Protagonistinnen, die die drei Teile durchzieht.

Als Leser kann man sich auch gut mitentwickeln. Mir persönlich gefällt aber auch der mittlere Teil am besten. Ich glaube, ich hätte beim Lesen auch gedacht, oh, ich möchte, dass sie wieder im Wald sind. Aber das macht nichts, dann muss man es halt wieder von vorne lesen! Und dann sind sie ja wieder im Wald.

Klar wünscht man sich, dass sie immer im Wald bleiben und den Traum haben vom ewigen Leben im Wald. Aber die Realität sieht anders aus.

Außerdem habe ich sie da nicht anders rausgekriegt. Ich fand das fade, wenn sie dann einfach gehen. Ich baue doch nicht so ein Riesending und dann gehen die einfach oder werden einfach gefunden. Das geht nicht.

Wenn Sie selbst Zeit zum Lesen haben: Wo lesen Sie gerne, was lesen Sie gerne und welches Buch wartet darauf, als nächstes gelesen zu werden?

Ich lese überall gerne. Das kann ich leichter beantworten als das Schreiben. Lesen kann man überall. Sofa, Badewanne, das sind ja so die klassischen Orte. Aber auch im Zug lese ich total gerne. Oder wenn ich irgendwo warte. Das Smartphone stört ein bisschen dabei, also dass ich jetzt eins habe. Also ich habe mehr gelesen. Jetzt lese ich im Smartphone. Was lese ich gerne? Ich lese schon gerne deutsche Literatur und viel von den Kollegen natürlich. Und auch viel, was mir die Verlage so geben. Ich lese viel, was so zu mir kommt. Was so um mich herum schwirrt und an mich gegeben wird. Schaffe ich aber auch nicht alles. Denn irgendwann kennt man einfach zu viele Schriftsteller. Und wenn die ein neues Buch haben, will man das ja auch lesen, damit ich auch gut informiert bin. Jetzt gerade lese ich… Hmm… Da muss ich überlegen. Ich habe von mehreren Kollegen angefangene Bücher überall in der Wohnung verteilt. Das eine ist von Anselm Neft und heißt Vom Licht, ist bei Satyr erschienen und ist über eine christlich radikale Familie, die ihre Kinder sehr krass erzieht. Ein ziemlich krasses Buch. Das ist jetzt zum Beispiel nicht fürs Klo geeignet. Das kann ich ganz klar sagen. Fürs Zugfahren habe ich jetzt gerade mitgenommen Wenn es ein Junge wird, nennen wir ihn Judith von Christian Herkommer. Das ist einfach, locker, flockig, heiter und das habe ich im Zug gelesen. Das war perfekt dafür. Und sonst muss ich überlegen, es liegen überall angefangene Sachen herum. Vor allem eben von Kollegen und Kolleginnen.

Das erinnert mich ein bisschen an Alan Bennetts Die souveräne Leserin, in dem die Queen anfängt zu lesen und alles liest, was sie in die Finger kriegt.

Ah ja, so wahllos.

Ja, wahllos alles was sie kriegen kann und dadurch so ein Wissen anhäuft, dass sie irgendwann selbst schreiben will. Und sie liest einfach überall.

Das schreibe ich mir auf! Im Urlaub habe ich übrigens noch Joachim Meyerhoff Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war gelesen, wo er autobiografisch seine Kindheit schildert: Er ist auf dem Gelände einer Psychiatrie aufgewachsen, weil sein Vater dort Psychiater ist. Wunderbar skurril. Das wäre jetzt mein Tipp zurück.

Letzte Frage: Was bevorzugen Sie: Eher ein handfestes Buch oder einen E-Book-Reader?

Beides. Ich habe zwar lieber ein richtiges Buch in der Hand, aber wenn man reist, ist ein Tablett oder E-Book-Reader einfach gigantisch. Ich kann ja auch immer noch mehrere Kinderbücher dabei haben. Ich bin ja mit der Tochter viel gereist. Da hatte ich dann für mich immer genug zu lesen und für sie dann auch. Von daher bin ich da ein großer Fan.

Vielen Dank für das Interview! Und herzlichen Glückwunsch zum deutschen Jugendliteraturpreis 2016 für Mädchenmeute!!!

Eine Rezension von Mädchenmeute finden Sie hier.

Eine Übersicht mit weiteren Büchern und Werken der Autorin ist hier zu finden.