Inhalt

Der Wolpertinger Rumo wächst als Welpe auf einem idyllischen Bauernhof auf, wo er von einer Familie Fhernhachenzwerge liebevoll umsorgt wird. (Wolpertinger sind eine Fantasyspezies in Form einer Art Hund/Wolf mit menschenartigem, aufrechtem Körperbau sowie zwei kurzen Hörnern auf dem Kopf.) Eines Tages wird der Bauernhof jedoch von einer Bande Teufelszyklopen überfallen, die nicht nur die Familie, sondern auch Rumo in das schwimmende Zyklopenversteck, die "Wandernden Teufelsfelsen", verschleppt.

Rumo begegnet dort Volzotan Smeik, der für ihn zu einem Freund und Mentor avanciert. Mittels einer List gelingt es ihnen, zusammen von den Teufelsfelsen zu entkommen. Beide begeben sich daraufhin auf eine abenteuerliche Reise durch das südwestliche Zamonien. Schließlich erreicht Rumo die Stadt Wolperting, die von vielen seiner Artgenossen bevölkert wird. Dort lernt er neben seiner großen Liebe, der Wolpertingerin Rala, auch das Leben in einer zivilisierten Gesellschaft kennen.

Nachdem Rumo auf einen Ratschlag hin in den nahen Nurnenwald zieht, muss er bei seiner Rückkehr feststellen, dass alle Einwohner der Stadt in die zamonische "Untenwelt" entführt wurden. In diese steigt Rumo hinab, um seine Freunde und seine Geliebte zu retten.

Kritik

Auf knapp 700 Seiten begleitet man Rumo, den Helden von Walter Moers` Fantasyroman, auf eine abenteuerliche Reise. Von seinen tapsigen ersten Schritten als Welpe bis hin zu seinem Aufstieg zum 'größten Helden' Zamoniens durchläuft der draufgängerische, junge Wolpertinger eine abenteuerliche Entwicklung: Er entdeckt seine große Leidenschaft fürs Kämpfen, trifft auf Freunde, Feinde und eine große Liebe und muss sich oftmals in für ihn ungewohnten wie gefährlichen Situationen behaupten. Dabei bestätigt sich an ihm immer wieder ein altes, zamonisches Sprichwort: "Da kannst du dich auch gleich mit einem Wolpertinger anlegen." (S. 73)

Rumo & Die Wunder im Dunkeln erschien erstmals 2003 als Hardcover im Münchner Piper-Verlag und ein Jahr später als Taschenbuch. Er ist Moers' dritter, in der Fantasy-Welt Zamonien situierter Roman einer Reihe, die in Fankreisen auch der 'Zamonien-Zyklus' genannt wird. Das Buch war sehr erfolgreich und erhielt hauptsächlich positive Kritiken. Es wurde ein Bestseller (unter anderem erreichte es Platz 3 der 'Spiegel'- Bestsellerliste), war auch international erfolgreich und wurde in dreizehn Sprachen übersetzt. 

Wie in den Vorgängern widmet sich Moers auch in diesem Teil des Zyklus einem bestimmten Literaturgenre, hier das des klassischen bzw. epischen Abenteuerromans. Gerade literarisch versierte Rezipierende können während des Lesens eine Vielzahl von Elementen und versteckten Hinweisen auf dieses Genre entdecken.    

Moers` Roman ist in zwei große Hauptteile untergliedert, genannt 'Obenwelt' sowie 'Untenwelt'. Wie auch in klassischen Abenteuerromanen repräsentieren diese Abschnitte zwei fundamentale Entwicklungsstadien des Protagonisten Rumo auf seinem Weg zum im epischen Sinne idealen Helden: Während er in 'Obenwelt' von einem heroischen Laien und Welpen durch absolvierte Abenteuer erste Erfahrungen als Heros erlangt und sich erfolgreich in die Zivilisation eingliedert, scheitert er letztlich noch immer im Bereich der Liebe. Dieses klassische Heldenmanko überwindet Rumo erst im Laufe des zweiten Teils, als er in die 'Untenwelt' hinabsteigt, um seine Geliebte zu retten. Dabei erinnert der Weg des Wolpertingers an das bekannte, heroische Motiv der Unterweltfahrt, denn wie der griechische Held Orpheus hat er im Untergrund zahlreiche Gefahren zu überstehen, um sich der Liebe und somit des vollendeten Heldentums als würdig zu erweisen. Dies ist nur eine der schier zahllosen Andeutungen auf verschiedene Werke und Motive der Weltliteratur, die im Laufe der Handlung  zu finden sind.

Wie in Rumo, so weiß Moers auch in seinen anderen Zamonien-Romanen weitere literarische Genres humorvoll nachzuahmen. Zum Beispiel erzählt in Die 13 ½ Leben des Käpt`n Blaubär der namensgebende Protagonist viele Lügengeschichten, die als Elemente aus der Gattung 'Schelmenroman' an die Abenteuer des Barons Münchhausen erinnern. Ensel und Krete enthält zahlreiche Seitenhiebe auf die klassische Märchenwelt, drängt sich beim Rezipierenden doch schon ein Vergleich dieses Titels mit der bekannten Erzählung Hänsel und Gretel auf. In den Autobiographien des Hildegunst von Mythenmetz wiederum greift Moers auf eine Vielzahl von Elementen aus dem Schauerroman zurück: So lernt man vor allem das berühmt-berüchtigte Bücherlabyrinth der Stadt Buchhaim kennen, dessen oft beklemmende Atmosphäre an ähnlich düstere Orte aus verschiedenen Werken der Schauerliteratur erinnert. Damit ordnet sich Rumo erfolgreich in eine Reihe kunstvoller Genreanspielungen ein.

Hinsichtlich der typographischen Präsentation fällt auf, dass die Dialoge bestimmter Figuren im Roman durch besondere Schriftarten und -größen vom restlichen Text visuell hervorgehoben sind. So 'spricht' Rumos denkendes Schwert Löwenzahn in verschnörkelter Schönschrift, während die zweite Gedankenstimme im Schwert, die des Dämons Grinzold, in fetter Frakturschrift seine Kommentare zum Besten gibt. Solche typographischen Besonderheiten bei den Dialogen finden sich schon in den vorherigen Zamonien-Romanen von Moers, genau wie die detaillierten und Atmosphäre fördernden Illustrationen von Figuren und Handlungsorten, welche auch in Rumo & Die Wunder im Dunkeln zahlreiche Seiten ausschmücken. Dies sind nur einige Beispiele von vielen weiteren, strukturellen und stilistischen Auffälligkeiten, die Rumo so vielfältig und interessant machen, wodurch sich der Roman auch zum mehrmaligen Lesen eignet. 

Wie in den beiden vorherigen Teiles des Zamonien-Zyklus wird die Handlung  auch in Rumo in der dritten Person Plural als Bericht einer fiktiven Erzählinstanz vermittelt. Hier wird sie durch ein sogenanntes 'Schubladenorakel' von Prof. Dr. Nachtigaller dargestellt, ein fiktionsintern hochberühmter und genialer Wissenschaftler. Anders als in den beiden früheren Zamonien-Werken schaltet sich in diesem Buch aber fast nie eine übergeordnete Erzählinstanz ein, um die Handlung zu rekapitulieren oder, im mythenmetz‘schen Sinne, einfach abzuschweifen. Dennoch verläuft die primäre Handlung um Rumo stets linear und entfaltet schnell eine aus diversen  Abenteuerromanen bekannte Sogwirkung auf die Leserin und den Leser, die mit unerwarteten Wendungen in Atem hält.

Das liegt vor allem an ihren vielfältigen und zum Teil sehr unterschiedlichen Figurenpersönlichkeiten, die echte, erzählerische Tiefe vermitteln. Eine weitere Besonderheit ist, dass viele Charaktere neben Rumo teils wesentliche Rollen im Handlungsgefüge übernehmen und dieses streckenweise dazu überschwenkt, ihren jeweiligen Werdegang zu schildern. So geraten diverse freundliche und feindliche Bekanntschaften von Rumo nicht nur zu obligatorischen Nebenrollen, sondern wirken zum Teil sogar wie weitere Protagonisten.

Trotz des beachtlichen Seitenumfangs liest sich der Roman sehr flüssig, wirkt an keiner Stelle langatmig oder unnötig ausgeschmückt und weiß unter anderem durch spannungsreiche Wendungen in der Handlung die Aufmerksamkeit der Leserin und des Lesers zu sichern. Zudem braucht man, wenn überhaupt, nur geringe Vorkenntnisse über den Kontinent Zamonien und seine Bewohnerinnen und Bewohner, da man eine Menge Informationen nebenbei im Handlungsfluss mitgeteilt bekommt. Somit ist Rumo & Die Wunder im Dunkeln auch als erster Zamonien-Roman empfehlenswert.

Einer der wenigen Kritikpunkte könnte der gerade an manchen Stellen etwas eigensinnige, tendenziell flapsige und ab und an vielleicht etwas überzogene Humor des Werks darstellen, der einerseits nicht unbedingt jedermanns Geschmack trifft, andererseits einen wesentlichen Teil zum charakteristischen Charme des Romans beiträgt. Dieser ist weiterhin wohl nicht gerade als leichte Lektüre für Zwischendurch gedacht: Man sollte sich schon Zeit nehmen, um die vielen, netten Anspielungen und Seitenhiebe auf bekannte Motive der Weltliteratur nicht zu überlesen. Der Roman ist von daher durchaus anspruchsvoll, jedoch stellen diese Auffälligkeiten eher unterhaltsames Beiwerk dar, da man der Handlung auch so sehr gut folgen kann.

Fazit 

Rumo & Die Wunder im Dunkeln ist einer der bislang besten Zamonien-Romane. Der Grund dafür liegt zum einen an dem unterhaltsamen und kompakten Schreibstil des Autors, seinem Ideenreichtum und auch der dezenten Selbstironie, mit der er einige Figuren und Handlungsabschnitte liebevoll gestaltet hat. Zum anderen liegt es auch an der klassischen Heldenreise des Protagonisten, die eine Art heroische Identifikation mit diesem ermöglicht, indem sie Leser/innen an Rumos heldenhaften Entwicklung teilhaben lässt. Der Roman ist für jeden empfehlenswert, der sich generell für Fantasyliteratur begeistern kann oder sich einfach mal auf dieses Genre einlassen möchte. Unter dessen zeitgenössischen Vertretern stellt Moers' Werk definitiv eines der Kreativsten dar. Es ist für Kinder ab etwa 10 Jahren geeignet.

Titel: Rumo & Die Wunder im Dunkeln
Autor/-in:
  • Name: Moers, Walter
Erscheinungsort: München
Erscheinungsjahr: 2003
Verlag: Piper
ISBN-13: 978-3-328-60190-6
Seitenzahl: 693
Preis: 32,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 10 Jahre
Moers, Walter: Rumo & Die Wunder im Dunkeln