Explikat 

Volker Klotz betont in seinen Ausführungen zum geschlossenen Drama die Einheit der Handlung als wichtige Bedingung des geschlossenen Dramas: 

Das geschlossene Drama strebt danach, eine geistige Totalität zu vermitteln. […] Ganzheit, Einheit, Unversetzbarkeit der Teile charakterisiert die Handlung, die einen Ausschnitt aus einem pragmatisch, zeitlich, räumlich Größeren und Komplexeren darbietet. (Klotz 2011, S. 485)

Impliziert wird mit der zitierten "Unversetzbarkeit der Teile" auch die Forderung nach einem deutlich markierten Anfang, Höhepunkt und Ende und der Linearität und Stringenz der Handlung (vgl. ebd.). Nebenhandlungen und Zeitsprünge sind im geschlossenen Drama somit zu vermeiden oder über Boten und Botenberichte einzugliedern (vgl. ebd.). 

Zudem lassen sich anhand des von Klotz benannten Anspruchs des geschlossenen Dramas "geistige Totalität zu vermitteln" weitere, nicht ausschließlich die Struktur des Dramas betreffende Merkmale ableiten. So benennt Klotz bspw. auch ein Figurenensemble, welches der Ständeklausel folgt, als weiteres konstituierendes Merkmal, wobei die Figuren sich gleichsam auch durch einen hohen und einheitlichen Sprachstil auszeichnen (vgl. ebd. S. 486).

Den Gegenpol zum geschlossenen Drama stellt das offene Drama dar. Verstanden werden sollten die beiden Idealtypen dabei als Konstrukte, die jedoch für die Dramenanalyse einen Orientierungsrahmen darstellen (vgl. Asmuth 2004, S. 49). Dies zeigt sich bspw. auch an der Beschäftigung mit Torsten Letsers Der kleine Prinz von Dänemark, welches zahlreiche der genannten Züge des geschlossenen Dramas trägt. So entsprechen die Figuren – mit Ausnahme des Bären – als Prinzen, Könige und Angehörige des Hofstaats der Ständeklausel (vgl. Lester 1984, Personen). Zudem wird im Drama die Einheit der Zeit eingehalten und der Ort ist trotz der Szenenwechsel stark beschränkt (vgl. ebd. S. 108). Es ist jedoch vor allem die Einheit der Handlung und ihre lineare Abfolge, die das Drama kennzeichnet und die über die Figur Hamlets gewährleistet wird. Dieser ist in allen Szenen – mehr oder minder offensichtlich – präsent und erhält darüber alle wichtigen Informationen, um den drohenden Königsmord zu verhindern. Die einzelnen Szenen der Nebenhandlung werden somit funktional in die Haupthandlung um Hamlet eingegliedert. Darüber hinaus setzt sich das Stück mit unterschiedlichen ideellen Problemen auseinander, die vom Generationenkonflikt bis hinzu Regierungspraktiken reichen: 

HAMLET 
[…]
Ich könnte genau so gut tot sein – 
oder jedenfalls nicht Kind.
Ich habe nicht verlangt, ein Kind zu sein, 
dem keiner zuhört. 

Kind sein oder nicht Kind sein, die Frage
stellt uns keiner. Daß [sic] wirs werden, daß [sic] man 
zur Welt kommt, liegt nur an der Liebe der 
Erwachsenen miteinander. Wir dagegen
haben keine Wahl in Sachen Leben. 
Will ich oder will ich nicht ein Kind sein
in dieser unverständlich bösen Welt. 

(Letsers 1984, S. 132) 

HAMLET
Die Völker leben friedlich miteinander. 
Ganz unvergleichlich werde ich regiern: 
Ich schmeiß mich selbst als König raus!
Die Leute sollen lieber selbst bestimmen, 
wie ihr Staat selbst verwaltet wird. 

(ebd. S. 145) 

 


Bibliografie

Primärliteratur 

  • Letsers, Torsten: Der kleine Prinz von Dänemark. In: Schwedisches Kindertheater. Fünf Stücke. Hrsg. von Dirk H. Fröse. Frankfurt am Main: Verlag der Autoren, 1984. S. 107-146. 

Sekundärliteratur 

  • Asmuth, Bernhard: Einführung in die Dramenanalyse. 6. aktualisierte Auflage. Stuttgart: J. B. Metzler. 2004.
  • Freytag, Gustav: Technik des Dramas. Neuauflage. Berlin: Autorenhaus, 2003.
  • Klotz, Volker: Geschlossene und offene Form im Drama (1960). In: Dramentheorie. Texte vom Barock bis zur Gegenwart. Hrsg. von Peter Langemeyer. Stuttgart: Reclam, 2011. S. 483-492.