Inhalt

"Bambi & Die Themen" inhaltlich zusammenzufassen, ist aufgrund der Offenheit des Stückes, seines episodischen Charakters kaum möglich. Das Theaterstück hat keine linear-kausal verlaufende Handlung, auch liegt kein dramatischer Konflikt und keine Fabel vor. Der Dramatiker Bonn Park nimmt vielmehr die Figuren Bambi, Klopfer und Blume aus dem bekannten Disney-Film "Bambi" als Vorlage, um Szenen von Trostlosigkeit, Einsamkeit und Verunsicherung zu entwickeln, die viele Fragen aufwerfen und doch letztlich keine beantworten. Es werden ohne deutlich erkennbare Ordnungsmuster Collagen aus dem Leben der jugendlichen Tierfigur Bambi und seiner beiden Freunde, Klopfer und Blume, gezeigt. Auch der Ort des Geschehens stellt kaum Bezug zum Disney-Film her. Der abgebrannte Wald, das frühere Zuhause Bambis, hat sich in eine Stadt verwandelt, die allerdings immer noch brennt. In dieser wohnt Bambi mit Klopfer und Blume gemeinsam in einem Apartment.

Es entwickeln sich Episoden, die mehrfach im Verlauf des Theaterstückes wieder aufgegriffen werden, wie mit "Technologie und das Leben" betitelte Szenen (Vgl. Park 2019, S. 7-9, 14f., 50 u. 76), die durch das Internet evozierte Vereinsamung und Sinnleere zeigen. Weitere Episoden sind die "schönste Szene der Welt" (Vgl. Park 2019, S. 5, 47-49 und 57-59), Szenen zu Bambis Fragen (Vgl. Park 2019, S. 11f, 28, 44f ) sowie drei Szenen eines mit ??? betitelten Wesens (Vgl. Park 2019, S. 21-27, 51-56 und 61), welches die Figuren provoziert und täuscht.

 Bonn Bambi Abb 1Abb. 2: Bambi im Gespräch mit dem Wesen ???. Inszenierung Junges Schauspiel Düsseldorf: von links mit Ali Aykar, Eva Maria Schindele; Foto: © david baltzer / bildbuehne.de

Die vierte Wiederholung eines Themas sind Szenen, die mit Weltuntergang betitelt werden (Weltuntergang I, II und III, vgl. Park 2019, S. 13, 29 u. 60) und in denen zunächst Zombies die Stadt bedrohen, dann eine Überflutung und zuletzt die Explosion eines Atomkraftwerkes. Das Theaterstück reißt also Themen an, die Jugendliche beschäftigen, wirft Fragen auf, die unbeantwortet bleiben, und schildert letztlich eine Welt, in der nichts mehr in Ordnung zu sein scheint.

Kritik

Wie bereits in der Inhaltsbeschreibung angemerkt, liegt keine Handlung vor, das Drama kann als episodisch gelten und nimmt einzelne Themen mehrfach auf. Auf solche Weise werden viele Gefahren und Konflikte unserer Welt präsentiert, aber auch Aspekte ins Lächerliche gezogen, indem existentielle Themen mit Belanglosigkeiten verbunden werden. So stellt Bambi beispielsweise zu Beginn der Szene "Bambi stellt alle Fragen der Welt I" folgende Fragen:

Warum darf man sich in einigen Ländern auf dem Gras in einem Park setzen und in anderen ist es abgesperrt? Warum hält der F-Train immer im Tunnel vor der Manhattan Bridge für eine halbe Stunde? Wieso gilt das koreanische Alphabet unter Linguisten als das beste der Welt? Auf der Welt? Wie wird man das beste Alphabet? Wieso gibt es Krieg? Wieso finden alle diese Frage so dumm? Wieso finden alle Säugetiere dumm oder sechsjährig, wenn man das fragt? Wieso bin ich nicht im Krieg? Wieso möchte ich nicht im Krieg sein? Wieso gibt es Leute, die gern im Krieg sind? Gibt es Leute, die gern im Krieg sind? Also aus der tiefsten Seele und mit Anmut und Reinheit gern im Krieg? Wie viele Probleme gibt es auf der Welt? […] (Park 2019, S. 11)

Es sind also Reflexionen über Gegenwärtiges von unterschiedlicher Relevanz, die die lose aneinandergereihten Szenen bestimmen. Das gilt auch für Bambis Monolog in "Alle Probleme der Welt". In diesem werden Diskriminierungen und Verbrechen wie "Rassismus", "Konzentrationslager" oder "Genozit" mit Belanglosigkeiten wie "Kaffee zum Mitnehmen" oder Fantasieproblemen wie "Meeresungeheuer" und "Zombieapokalypsen" vermischt (vgl. Park 2019, S. 35-37). Für die Zuschauerinnen und Zuschauer dürfte klar sein, dass nicht alle aufgelisteten Probleme wirklich von existentieller Bedeutung oder gar echte Probleme sind. Auf solche Weise wird trotz der bedrückenden Schlagworte auch Komik evoziert. Beispiele für das Komische im Stück sind beispielsweise die Äußerung des grotesken, absurden Problems "Zärtlich sein wollen, aber du bist eine Atombombe" (Park 2019, S. 35), das zum Lachen reizt, wenn man sich das Gesagte bildlich vorstellt, oder das nicht ersichtliche Problem "Baden-Württemberg, sorry, aber Baden-Württemberg" (Park 2019, S. 37). Letztlich wird gezeigt, dass die Probleme des Alltags in keinem Verhältnis zu den existentiellen Konflikten unserer Welt stehen. Das Theaterstück verdeutlicht aber auch, mit wie vielen Sorgen Jugendliche heute konfrontiert und wie stark diese durch die Unsicherheiten des 21. Jahrhunderts belastet sind. Bezüge zur aktuellen Lebenswelt nicht nur von Jugendlichen werden vor allem in den Szenen über "Technologie und das Leben" hergestellt. Der Nebentext stellt die Behauptung auf, dass das Internet Bambi und seine Freunde "wahnsinnig macht" (Park 2019, S. 8), diese "schnell abhängig" (Park 2019, S. 15) werden, schließlich heißt es in der vorletzten Szene des Stückes, der Szene "Technologie und das Leben IV": "Eine haltlose Einsamkeit überkommt Bambi und weil es seine Gedanken hasst, ballert es sich mit Internet zu." (Park 2019, S. 76) Der Umgang mit dem World Wide Web verstärkt die Sinnleere und Orintierungslosigkeit der jugendlichen Figuren.

Die Komplexität und die ungewöhnliche Form des Theaterstücks zeigt sich auch in den Nebentexten. Beispielsweise deutet bereits die dem Text vorangestellte dramatis personae die fehlende Handlung an. Denn das Figurenverzeichnis ist mit "Säugetiere" betitelt, enthält dann aber neben den Hauptfiguren Bambi, Klopfer, Blume und ??? auch "Meinungen", "Themen" und "Probleme", was keine dramatischen Figuren des Dramas sind. Auf solche Weise wird die Machart von "Bambi & Die Themen" bereits angedeutet, das Episodische, die nicht vorliegende Handlung, letztlich das Postdramatische. Bemerkenswert ist, dass der Nebentext eine Fokalisierung aufzeigt. So heißt es vor Beginn der ersten Szene:

Für die Jungs & Mädchen vom Deutschunterricht (und der angewandten vergleichenden Literaturwissenschaft),

hier ein Spickzettel:

Dinosaurier = Menschen

Säugetiere = Menschen

Bambi = Bambi

Aber psst! Verratet es keinem!

Abgesehen von dem ironischen Unterton in Bezug auf den Schul- bzw. Wissenschaftsbetrieb zeigt sich in diesem Nebentext eine Erzählinstanz, was keineswegs ungewöhnlich für Kinder- und Jugenddramatik ist und beispielsweise auch in Karen Köhlers "Himmelwärts" nachweisbar ist. Wertungen lassen sich in vielen Nebentexten von "Bambi & Die Themen", die den einzelnen Episoden vorangestellt sind, finden. Der Inhalt der "Schönsten Szene[n] der Welt" umfasst gar keine schöne Szene, worauf bereits die Unterschrift "(Versuch I)" hindeutet. Stattdessen werden apokalyptische Szenen nach dem Brand in Bambis Wald geschildert. Da die zweite "schönste Szene der Welt" Blumes Suizidversuch zeigt (vgl. Park 2019, S. 47-49), beginnt die dritte "schönste Szene der Welt" mit dem Untertitel: "(wenigstens eine kleine nette, angenehme Szene, bitte bitte bitte)" (Park 2019, S. 57). Ob und wie ein solcher Kommentar dann auf der Bühne szenisch umgesetzt wird, bleibt offen.

Insgesamt zieht sich der Wunsch nach einem guten Leben wie ein roter Faden durch einzelne Szenen und Nebentexte, meist folgen auf diesem Wunsch weitere Szenen von Gewalt und Trostlosigkeit, die keinen didaktischen Duktus zeigen und deren Sinn sich den Rezipientinnen und Rezipienten nicht immer erschließt. Die Ästhetik der Deutungsoffenheit zeigt sich auch in der Schlussszene, die nicht klärt, ob am Ende doch ein gutes Leben möglich ist. Diese Schlussszene liegt als Nebentext vor, wie diese inszeniert wird, bleibt offen.

BAMBI, KLOPFER UND BLUME WOLLEN EINFACH EIN GUTES LEBEN FÜHREN (IN 3 AKTEN) AKT III

Das Leben ist nun vollkommen gut. Alles ist in Ordnung. Es ist das letzte Stadium des Lebens, ein ganzer Kreis, das Ende und der Beginn, aller Schrecken ist nicht mehr schlimm, denn hier sehen wir eine Geburt, die genauso aussieht wie die Geburt vom Bambi. Ein identisches Lebewesen, das selbe Huftier mit der selben Neugier und derselben Ahnungslosigkeit der Welt. Es wird dieselben Fragen stellen und dieselben Antworten bekommen, eine erdbebensichere Kopie der Existenz erleben, die wir gerade gesehen haben. Sie ist nicht zu verbessern. Es bedeutet, alles ist in Ordnung. Nichts ist schlimm. Auch wenn alles schlimm ist, am Ende ist alles immer das Leben und präzise so, wie es vorher war. Es bedeutet, zum Glück ist alles schlimm. (Park 2019, S. 77)

Das Paradoxon im Schlusssatz verweist auf die Paradoxie des Lebens, auf den Kreislauf des Lebens und darauf, dass sich Menschen ein gutes Leben wünschen und unsere Welt doch voller Grausamkeiten ist.

Fazit

Die Inszenierung des Dramatikers Bonn Park wurde zum Augenblick Mal-Festival eingeladen und das Theaterstück wird mittlerweile auch an anderen Jugendtheatern aufgeführt. Dabei mutet es den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern einiges zu. Die Gefahren durch Massenvernichtungswaffen, Kriege, Umweltzerstörung und die Erderwärmung sind nicht nur Themen auf der Bühne, sondern auch in der empirischen Wirklichkeit vorhanden. Die Figuren scheinen zudem die Orientierungslosigkeit der heutigen Jugend widerzuspiegeln. Bonn Parks postdramatische Schreibweise nimmt sich die Freiheit, spielerisch mit Gegensätzen umzugehen, im Tragischen das Komödiantische und umgekehrt zu suchen. Letztlich zeigt das Stück eine Ambivalenz, die sich auch an anderen Texten des Kinder- und Jugendtheaters nachweisen lässt: Die Krisen der Welt werden nicht beschönigt, aber ein Unterton der Hoffnung bleibt.

Literatur

Park, Bonn: Bambi und Die Themen. Berlin: Henschel-Schauspiel 2019.

Abbildung

Portrait Abb. 1: Thomas Rabsch

Abb. 2: David Baltzer/ bildbuehne.de

Titel: Bambi & Die Themen
Autor/-in:
  • Name: Park, Bonn
Uraufführung: 11.09.2021 am Jungen Schauspiel Düsseldorf
Erscheinungsort: Berlin
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Henschel Schauspiel
Altersempfehlung Redaktion: 15 Jahre
Park, Bonn: Bambi & Die Themen