Inhalt

Die Eltern der elfjährigen Pauline sind geschieden; deshalb lebt die Schülerin in halbwöchigem Wechsel bei ihrer Mutter oder bei ihrem Vater, dessen neuer Frau Jette und dem kleinen Stiefbruder Jonathan. Das Arrangement funktioniert problemlos. Paulines allerbeste Freundin ist Natascha, die in der Schule neben ihr sitzt. Doch dann schwärmt Natascha überraschend für dem 'traurigen‘, nicht sonderlich attraktiven Tristan. Als Pauline dazu eine lapidare Bemerkung macht, bewirkt dies eine kleine Katastrophe: Ohne ein Wort verlässt die zutiefst beleidigte Natascha ihren Platz neben Pauline und sitzt von nun an neben der 'blöden‘ Leonie. Und als sei dies noch nicht genug, erfährt Pauline auch noch, dass ihre Mama sich in deren Arbeitskollegen Herrn Stein verliebt hat – und damit wohl nicht mehr uneingeschränkt für ihre Tochter zur Verfügung steht. Paulines wohlgeordnete kleine Welt scheint komplett ins Wanken geraten zu sein. Glücklicherweise hat sie gerade Lukas aus der Parallelklasse getroffen; dessen Hund, einen Labrador, findet sie einfach unwiderstehlich süß. Aber mit Lukas kann sie auch in der Pause ganz unbefangen plaudern. Ungeachtet dessen versucht Pauline, das ehemals gute Verhältnis zu ihrer Mama und zu Natascha zurückzugewinnen. Mit Erfolg.

Kritik

Im Roman erzählt die elfjährige Pauline autodiegetisch und chronologisch durchgehend im Präsens über Erlebtes, das sich innerhalb nur weniger Tage ereignet hat. Eine genaue zeitliche Einordnung der Handlung ist schwierig, da beispielsweise Handys, ein Kassettenrekorder und eine (mechanische) Schreibmaschine erwähnt werden, die allenfalls selten zeitgleich verwendet wurden.

Als zentrale Thematik behandelt der Roman den häufig als sehr verwirrend empfundenen Beginn der Pubertät und die ersten zwischengeschlechtlichen Beziehungen aus Sicht eines jungen Mädchens, das jedoch damit bislang wenig anzufangen weiß:

Ich weiß gar nicht, warum Jungs plötzlich wichtig sind. Dass man dauernd darüber reden muss, über Jungs, über Gefühle, über den ganzen Herzschamott. Das war vorher nicht so, oder? Das ist, als hätte es ein Zeichen gegeben, eine Hupe, einen Startschuss, irgendwas. Als hätten sich alle verabredet. Nur mir hat keiner Bescheid gegeben. (S.27f)

Jedoch scheint sich auch seitens Pauline ein Verhältnis zu Lukas zu entwickeln, das von ihr als "echt easy, [...] gar nicht komisch oder nervig“ (S. 150) empfunden wird. Eine weitere Facette des Verliebtseins ergibt sich aus der neuen, noch nicht endgültig geklärten Beziehung von Paulines Mutter zu einem Arbeitskollegen.
Als zusätzlich wichtigen Aspekt bietet der Roman ein praktikables Beispiel für die Bewältigung von Konflikten, die sich aus der kaum rational begründbaren, aber dennoch heftigen gegenseitigen Ablehnung der Mädchen untereinander ergeben haben.

Der Roman besticht durch eine einfache, einer Elfjährigen angemessenen Sprache, die zugleich einfühlsam die Stimmung der Protagonistin wiedergibt. Tatsächlich passiert nichts Spektakuläres im gesamten Plot – zumindest nicht für den äußeren Betrachter. Es sind vielmehr die Banalitäten, die kleinen Gesten, die spontanen, eigentlich weitgehend bedeutungslosen Aussagen, die dann unerwartet zu harten zwischenmenschlichen Brüchen führen, weil sie von der Gegenseite missverstanden werden oder zu viel hineininterpretiert wird. Damit hat die Autorin klassische konfliktauslösende Situationen beschrieben, die durchaus auch schon bei angehenden Teenagern erhebliche Probleme verursachen können. Entsprechende Schilderungen, dazu aber auch eine heutzutage keineswegs ungewöhnliche Patchwork-Familienkonstellation bieten daher ein hohes Identifikationspotenzial.
Diese Art der Doppelbödigkeit, die den gesamten Roman ausmacht, betrifft bereits den Titel des Romans. Zwar sind auf den Umschlaginnenseiten dutzende Wörter mit L zu finden, im Buchtext findet sich hingegen nur ein einziger direkter Bezug unmittelbar am Schluss, der allerdings eine doch recht unerwartete Auflösung liefert:

"Hey, Pauline, was fängt mit L an, hat fünf Buchstaben und ist ganz großartig?“ "Ich!“, schreit Lukas und saust wieder an uns vorbei. (S.172)

Eine gelungene finale Pointe, da der simple Name für Pauline doch einen weitaus größeren Bedeutungsinhalt besitzt.

Im übersichtlichen Schriftbild wird nur vereinzelt mikrotypografisch etwa lautes Sprechen oder Schreien bei wörtlicher Rede durch Verwendung von Majuskeln betont. Die Kapitelanfänge sind allesamt durch knapp skizzierte, textbezogene Vignetten von Petra Hämmerleinova markiert.

Fazit

Wörter mit L thematisiert die Perspektive einer Elfjährigen und schildert aus ihrer Mitsicht gelungen die emotionalen Wirrnisse zwischenmenschlicher Beziehungen, sowohl innerhalb einer Familie als auch mit Freundinnen und Freunden. Der Roman richtet sich an Leserinnen und Leser ab 11 Jahren, aber auch Erwachsene können in dem Text viel über die komplizierten Gedanken und Prozesse in dieser präpubertären Phase entdecken. Tamara Bach hat bisher vor allem Jugendromane wie Marsmädchen, Was vom Sommer übrig ist und Vierzehn veröffentlicht und mit Wörter mit L ihren ersten dezidierten Kinderroman vorgelegt. Dennoch sind auch hier die Besonderheiten in Bachs Erzählton und ihrem Duktus unverkennbar, sie spielt mit der Sprache und erzählt eindringlich von Übergängen und Entwicklungspassagen.

Titel: Wörter mit L
Autor/-in:
  • Name: Bach, Tamara
Erscheinungsort: Hamburg
Erscheinungsjahr: 2019
Verlag: Carlsen
ISBN-13: 978-3-551-55386-7
Seitenzahl: 176
Preis: 11,00 €
Altersempfehlung Redaktion: 11 Jahre
Bach, Tamara: Wörter mit L